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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Bemerkungen über völlig verunglückte Frisuren der Freundinnen von Frau Bitterli und spitze Bemerkungen wie, dass Martina, obwohl doch Zahnarztgattin, beim letzten Besuch bei Tibits doch tatsächlich das Salatblatt mit dem Messer geteilt hatte, also wirklich schockierend.
    »Schauen Sie, Herr Bitterli«, hatte Äbersold vorher gesagt, »ich rechne hier mit einem organischen Wachstum von rund fünfundzwanzig Prozent im Jahr, was natürlich einen nachhaltigen Gewinn zur Folge hat, der sich aller Voraussicht nach und logischerweise ebenfalls im zweistelligen Prozentbereich entwickeln wird, also wenn diese Investition kein Winner ist, dann weiß ich auch nicht.«
    Bitterli hatte ganz glänzende Augen gekriegt, sich sogar die Lippen befeuchtet, hatte den Anlageprospekt wichtig durchgeblättert, gelegentlich genickt, obwohl er in Wirklichkeit ja keine Ahnung hatte, was ihm da vorgesetzt wurde, und um die AGBs mit ihren ganzen Fußangeln und darin versteckten Gebühren, Kommissionen und Fees zu lesen, hätte er eigentlich eine Lupe gebraucht, und die hatte Äbersold gerade nicht zur Hand.
    »Und das ist auch sicher?«, hatte er dann gefragt, und Äbersold schaltete auf Automatik und ließ eines der Bänder laufen, das er seit Jahren abgespeichert hatte: »Nun, sicher ist ja gar nichts, vor allem, wenn es um die Zukunft geht, lieber Herr Bitterli, und Sie wissen, dass ich als seriöser Anlageberater niemals Gewinnversprechen mache. Aber die Wachstumsraten der vergangenen drei Jahre sprechen ja für sich, und ich kann keinen Grund erkennen, wieso sich diese Entwicklung nicht weiter fortsetzen sollte, nicht wahr? Natürlich kann morgen der Dritte Weltkrieg ausbrechen, oder Sie werden auf der Bahnhofstrasse von einem Tram überfahren, he, he, aber wir wollen doch realistisch bleiben, das ist etwa so unwahrscheinlich wie, dass ich Ihnen einen schlechten Anlagetipp gebe, nicht wahr?«
    Bitterli hatte eine Tonne umgeschichtet, wollte sich zwei weitere ernsthaft überlegen, damit war er schon mal fünfzehntausend an Gebühren losgeworden, kein schlechter Stundenlohn, dachte Äbersold. Bitter war allerdings für Bitterli, kicherte Äbersold in sich hinein, dass er nicht prozentrechnen kann. Wenn ein Markt um fünf Prozent wächst und die Bude, deren Aktien er Bitterli angedreht hatte, tatsächlich jedes Jahr um zwanzig Prozent wächst, dann hätte sie ja in rund sieben Jahren – Äbersold war zu faul, das genauer durchzurechnen – einen Marktanteil von hundert Prozent erreicht, in ein paar weiteren Jahren zweihundert Prozent. In Prozent ausgedrückt geht das ja noch, grinste Äbersold, als er das Tennisrack aus dem Schrank nahm, denn er hatte sich entschieden, aber die reale Welt hört normalerweise bei hundert Prozent auf, da führte leider kein Weg dran vorbei. Natürlich nur außerhalb der Besprechungszimmer der Schweizer Kreditunion, die für die kompetente Beratung von vermögenden Privatkunden reserviert waren. Und für den Fall, dass Bitterli das auch irgendwann einmal aufgehen sollte, da hatte Äbersold auch schon die entsprechenden Tonbänder auf Abruf bereit. Schließlich mache ich das schon mehr als zwanzig Jahre, und das sind definitiv mehr als fünfzig Prozent von meiner Lebensarbeitszeit, denn die hört endgültig und amtlich bei hundert Prozent auf.
Dreiunddreißig
    Kuster schreckte von seinem Kopfkissen auf. Vor dem Fenster seines Schlafzimmers funkelten die Lichter des gegenüberliegenden Ufers des Zürichsees, die gedimmten grünlichen Ziffern seines Nachttischweckers zeigten 02:37 h an, und daneben blinkte und schepperte sein Handy. Das dritte, das nur für spezielle Privatkunden reserviert war, die beiden anderen stellte er immer ab sechs Uhr abends auf stumm.
    Kuster seufzte, genoss noch für einen Moment, mit welchem unnachahmlichen Geräusch sich sein Pyjama aus Seide an der Bettwäsche aus Satin rieb, dann schaute er aufs Display seines Handys. Dachte ich mir doch, seufzte Kuster zum zweiten Mal, da kann es nur einen geben: »Hallo Wladimir«, sagte er dann so munter wie möglich, und viel da war nicht möglich, »hier in der Schweiz ist es eher spät, was liegt denn an?«
    Angewidert hielt sich Kuster dann den Hörer vom Ohr weg, Gläserklirren, betrunkenes Gelächter, spitzes Gekicher von Frauenstimmen und mitten im Gegröle Wladimir, der ihm fröhlich mitteilte, dass er wisse, dass es spät sei in der Schweiz, denn er sitze gerade in der »Juwelenhalle« und habe beschlossen, dass es der richtige

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