Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
es nicht so, dass äquivalentes Können von »Finanzingenieuren« in der Atomindustrie zu einem wöchentlichen Supergau, in der Autoindustrie zu einem täglichen Rückruf von zwei Millionen Autos, in der Nahrungsmittelindustrie zur Vergiftung ganzer Völker und in der Agrarwirtschaft zu einer weltweiten Totalhungersnot führen würde? Ist es nicht so, dass all die »Instrumente« am Schluss nichts anderes bedeuten, als dass ein Schwarzer ohne einen Penny auf der Seite und einem Paycheck von $ 500.- die Woche (positive Ausnahme) Geld pumpt für eine Holzbude und ein Investor, also ein Sparer, ihm dies leiht? Und dass der Schwarze nie einen Penny Zins zahlen wird, der Investor nie einen Penny Zins erhalten wird, dass der Schwarze den Großteil der Schuld nie zurückzahlen wird, der Sparer den Großteil seines Geldes nie mehr sehen wird, dass aber der Finanzingenieur einen schönen Teil des Transaktionsgeldes in seiner Bonikasse hat?
Und ist es nicht so, dass am Schluss der Schwarze und der Investor sich im Trailer-Park treffen? Oder gleich unter der Brücke? Dies, während der Designer dieses so genialen Deals bereits am nächsten »Instrument« bastelt? Was wird es denn diesmal sein, nach Dotcom, Biotech, Alt-A? Gibt es einen Tipp?
Ist es aber eigentlich nicht so, dass – schon rein mathematisch – dauernde zweistellige Gewinnzuwächse unmöglich sind, wenn die Wirtschaft um lediglich drei bis vier Prozent wächst?
Äbersold betrachtete seine Analyse mit Wohlgefallen, daran gab es nichts zu rütteln, das war die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Also schloss sie Äbersold in die tiefste Kammer seines Kopfes ein und sagte sich: Schließlich gilt das Bankgeheimnis auch für solche Dinge, das muss ja nun wirklich kein Kunde wissen.
Fünfunddreißig
Hugentobler wusste, dass das ein mieser Tag werden würde. Aber als Generaldirektor mit sieben Abteilungen unter sich musste er da durch. Das Ausmisten bei den Büroschwengeln, wie er die Heerscharen von HSG-Absolventen mit Gel im Haar, aufdringlichem Aftershave und schlechtsitzenden Anzügen nannte, konnte er ruhig Human Resources überlassen. Aber ein paar Kadermitarbeitern musste er die schlechte Nachricht schon persönlich überbringen.
Hugentobler hasste den Moment, wenn so ein Karrierist mit dynamischen Bewegungen sein Büro betrat, einen launigen und eingeübten Spruch losließ und ihn optimistisch-erwartungsvoll anblickte, weil er dachte, dass da wohl nur eine neue Herausforderung mit entsprechendem warmen Geldregen auf ihn wartete. Nur ungern erinnerte sich Hugentobler an einige üble Vorfälle in letzter Zeit, kleine Tschanuns, die ihre Dienstwaffe am Arbeitsplatz zweckentfremdeten, dann die Hass-Mails, Telefonanrufe mitten in der Nacht, vor ein paar Jahren hatte ein Irrer sogar mal echte Fäkalien in Hugentoblers Briefkasten geschmissen, einfach widerlich. Aber mit der Zeit entwickelt man Routine, natürlich hatte er ab morgen neue Handy-Nummern und neue direkte Durchwahl, im Nebenzimmer standen zwei durchtrainierte Problemlöser von der bankinternen Security parat, und für den Fall der Fälle war ihm Personenschutz rund um die Uhr zugesichert worden.
Wieso die das nicht so mannhaft tragen können wie die meisten unserer Kunden, wenn wir denen klarmachen müssen, dass sich leider das Depot in den letzten zwei Monaten halbiert hat. Einer, der immerhin wegstecken musste, dass sich siebenundzwanzig Tonnen in ebenso vielen Tagen in Luft aufgelöst hatten, konnte sogar über den Scherz seines Anlageberaters kichern, der Hugentobler zugetragen worden war: No risk, no fun, hatte der gesagt, der traute sich wirklich was.
Wenn der wüsste, grinste Hugentobler, dass er sich mit diesem Scherz auch den eigenen Hintern gerettet hatte, denn eigentlich war er auch schon auf der Abschussliste gestanden.
Aber hier half nun alles nichts, Hugentobler drückte aufs Knöpfchen, und sein Personal Assistant begleitete Fred M. Weber hinein, servierte ein stilles Wasser und zog sich diskret zurück. Ausgerechnet Weber, dachte Hugentobler, seit siebenundzwanzig Jahren dabei, MBA, Fortbildung in den USA, ein stiller Schaffer, verstand sogar etwas vom Banking, keine schmutzigen Tricks, keine Intrigen, immer loyal, hatte sich gerade ein zweites Ferienhaus auf Mallorca geleistet, mit der Hypothek an der Backe war Weber am oberen Ende der Fahnenstange angelangt, Frau depressiv und in der Klinik, ein Sohn in der Drogenentziehung, tragisch.
»In harten Zeiten braucht es harte Banker
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