Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Moment sei, Luft in die Dreifach-Magnum-Flasche Mouton-Rothschild zu lassen, also eine Jeroboam, obwohl sich das eher nach Scherobomm anhörte, und da müsse Kuster unbedingt dabei sein.
»Hat denn die ›Juwelenhalle‹ wirklich noch auf?«, verteidigte sich Kuster schwach, denn die Antwort kannte er eigentlich schon: »Für Wladimir immer, mein lieber Freund, und diese Schero-, Tscherobobom, die möschte isch mit meinen bäschten Freundn trinkn.«
Ich hasse die russische Seele, dachte Kuster erbittert, und ich hasse ihre Trinkfestigkeit, eine Flasche Wein nimmt die nicht mal zur Kenntnis, nach der zweiten Flasche Wodka wird sie gefühlvoll und nochmals furchtbar durstig, und am Schluss wird sie melancholisch, braucht unendlich viel Zuwendung und Bestätigung, dass es nichts Wichtigeres auf der Welt gebe als Freundschaft, und die muss begossen werden, diesmal mit viereinhalb Litern, und dann muss Wladimir am frühen Morgen ins Hotel geschleppt werden, und Kuster darf dann entscheiden, welche der drei platinblonden Nutten, die so lange durchgehalten hatten, mitdarf, denn auch bei spendablen Kunden wie Wladimir war das das höchste der Gefühle, das ein seriöses Schweizer Hotel vertrug.
Kuster schüttelte sich und sagte: »Bin schon unterwegs, Wladimir, druschba.« Das müsste eigentlich Freundschaft heißen, hoffte Kuster, quälte sich aus dem Bett, stellte sich drei Minuten unter das kalte Wasser der Dusche, schmiss sich in den Brioni, der sowieso in die Reinigung musste, frisches Hemd, Krawatte – der seriöse Schweizer Banker war wiederauferstanden.
Als er in die kühle Nachtluft hinaustrat, wartete das Taxi schon, denn wenn Kuster es auch diesmal schaffen würde, ab dem dritten Glas den Inhalt in die Blumenvase auf den Boden oder in eine der russischen Nutten zu gießen, die Wladimir immer wie die Motten das Licht umschwirrten, unter ein Komma fünf Promille würde auch er nicht davonkommen.
Kuster klopfte an die geschlossene Türe der »Juwelenhalle«, aus der Gelächter, Geklirr und Gegröle drang, sagte bloß »Wladimir« zu dessen Bodyguard, der sie mit einer Pranke geöffnet hatte, in der Kusters Kopf problemlos hätte verschwinden können, und dann ging es los. Wladimir erhob sich leicht schwankend, riss dabei das Tischtuch runter, mitsamt ungefähr dreißig Kristallgläsern, und während das Personal eifrig den Schaden wegräumte, wurde Kuster umarmt, geknutscht, auf den Rücken geklopft und neben Wladimir platziert. Dann schleppten zwei Kellner die Jeroboam an, und an den weiteren Verlauf der Nacht konnte sich Kuster nicht mehr erinnern. Vielleicht wollte er es auch nicht.
Darüber sollten die Kritiker von angeblich zu hohen Bankerlöhnen mal schreiben, dachte er am nächsten Morgen bitter, als er das dritte Alka Seltzer in sich reinschüttete und zusammenzuckte, als er das Glas etwas zu heftig auf seinen Bürotisch stellte. Und wer zahlt mir eine Ersatzleber?, murmelte er noch, als er seinen Bürostuhl nach hinten kippte und einnickte.
Vierunddreißig
»Kaufen Sie Gold«, sagte Äbersold leicht gelangweilt, »allerdings wären die Verluste durch das Glattstellen Ihrer Positionen im Augenblick doch substanziell, zu warten kann auch nicht schaden.« Dann machte Äbersold noch einige mitfühlende Geräusche und legte den Hörer auf.
Eigentlich hatte er tatsächlich ein gewisses Mitleid mit seinen Kunden. Kein Wunder, dass die nicht verstanden, was sich im Moment abspielte, nicht einmal die meisten Banker, nicht einmal die meisten Investmentbanker verstanden es. Dabei ist es doch eigentlich ganz simpel, sinnierte Äbersold. Ist es nicht so, dass die Zinsen so tief gehalten wurden vom großen Orakel Greenspan, weil sonst die Milliarden schlicht nicht zu den Investmentbankern in ihre »Instrumente« geflossen wären?
Und ist es nicht so, dass nur dieser Geldfluss in die »Instrumente« die Milliardenboni garantierte? Mit dem klassischen Geschäft des Geldausleihens und ein paar Börsen- und Couponabrechnungen kann man kaum dreiundzwanzig Milliarden Boni verteilen, geschweige denn erwirtschaften. Hat der alte Alan darum so ein Prestige genossen? Ist es nicht so, dass keine Industrie der Welt auch nur einen Bruchteil der Boni der Finanzindustrie verteilt? Dies, obwohl die Finanzindustrie (im besten Fall) rein gar nichts zum Wohlstand beiträgt, obwohl in den meisten anderen Industrien ganz wesentlich höhere Ansprüche an das Können, die Ausbildung, den Einsatz der Mitarbeiter gestellt werden?
Ist
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