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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Watermans ständig ersetzt werden, aber solche Kollateralschäden nahm man gerne in Kauf, wenn man dem Kunden mal wieder eine nette Umschichtungsfee aufs Auge gedrückt hatte. Swiss Banking at its best, Tradition, solide, Bahnhofstrasse, währschaft, sicher, dezent, aber luxuriös.
    Er drückte auf den Liftknopf für den vierten Stock. Die Türe ging auf, Äbersold bemerkte einen neuen Kaffeefleck auf dem abgenudelten Spannteppich im Gang, ein Mief von abgestandenem Kaffee, Kopierpapier und versagenden Deos empfing ihn. Was ihn fast unerträglich machte, waren die Obertöne von Sekretärinnenparfum, Gucci, Chanel, DKNY, die übliche Mischung. Aber das war noch gar nichts gegen die geballte Ladung, die ihn empfing, als er die Türe zu seinem kleinen Reich öffnete. Sein Vorzimmer war eine bessere Besenkammer, in die mit der Zeit zwei Assistenten reingequetscht worden waren, die sich beim Telefonieren gegenseitig fast den Ellenbogen ins Gesicht drückten. Dann war auch noch Fräulein Kummer zu seinem Team gestoßen, Telefondienst, Ablage, Terminkalender. Ginge ja alles, aber schon an ihrem zweiten Arbeitstag hatte Fräulein Kummer einen Wasserkocher auf ihr Minipult gestellt, in dem sie unermüdlich Gesundheits- und Kräutertees köcheln ließ, denen eines gemeinsam war: Sie stanken unerträglich. Als sie auch noch anfing, gelegentlich lakto-vegetarische Lunchs in Bastkörbchen fürs Mittagessen mitzubringen, die nach eingeschlafenen Füßen in ungewaschenen Socken stanken, hatten Äbersolds Assistenten mit Kündigung gedroht.
    Äbersold hatte einen Hilferuf an HR abgesandt, das führte dann zu Teamsitzungen, Mediation, Coaching, Aggressionsabbauübungen und Ernährungsberatung, in einem Wort: zu nichts. Außer dass Äbersold und seine Assistenten einen Blutrausch bekamen, wenn sie den Begriff proaktives Toleranzmanagement noch mal zu hören kriegten. Äbersold hielt verzweifelt die Luft an, öffnete die Türe zu seinem Privatbüro und schloss sie so schnell wie möglich. Aber beim nächsten Luftholen bemerkte er, dass es ihm wieder nicht gelungen war, einen Schwall Anis-Kümmel-Fenchel-Kräutertee draußen zu halten. Seit dem Einbau von Panzerglasscheiben war es mit Öffnen auch nichts mehr, und die Klimaanlage würde wieder mindestens zehn Minuten brauchen, bis der Gestank verschwunden war.
    Äbersold ließ sich in seinen Chefsessel fallen, Zartleder, Armlehnen aus lackiertem Mahagoni, hatte früher mal nach großer, weiter Luxuswelt gerochen, inzwischen meinte Äbersold, dass er auch schon den fiesen Duft nach Kümmel angenommen hatte.
    Er drückte auf den »Nicht stören«-Knopf, nahm ein weißes Blatt Papier zur Hand und öffnete seinen goldenen Montblanc. Er malte ein K, dann ein großes Fragezeichen. Weiter war er nicht gekommen, als Fräulein Kummer die Türe öffnete: »Sie haben in zehn Minuten einen Termin, Herr Äbersold.«
    Er versuchte, die Luft anzuhalten, aber zu spät. Eine Schande, dachte Äbersold wieder, eine Affenschande.
Vierundvierzig
    Hugentobler war wirklich unschlüssig. Es ist wirklich nichts mehr so, wie es mal war, seufzte er melancholisch. Früher, ja früher, da hatte das zu seiner wöchentlichen Routine gehört. Meeting im netten Wolkenkratzer an der Avenue of the Americas in Manhattan, ein, zwei Stunden das übliche Gringo-Blabla, great, absolutely, the whole nine yards, big time, new dimension, earth shaker, jackpot, dann hatte man das abhaken können, denn aus all den hochfliegenden Plänen wurde ja eh nichts. Dann ein bisschen Shopping, dann ab in die Suite im Kimberly, im Spa das volle Programm, the whole nine yards, hatte Hugentobler damals geschmunzelt, und dann ab in den Abendflieger nach Zürich, Swissair, First Class natürlich, Sitz 1 F, war immer reserviert.
    Manchmal sogar mit der Concorde, war zwar eine quietschenge Bestuhlung, damit schaffte man aber Hin- und Rückflug in einem Tag, und unbezahlbar war der neidische Gesichtsausdruck, wenn er beim nächsten Morgenmeeting Stabstellen fallen lassen konnte: »Sorry, dass ich gestern nicht auf Ihr Memo antwortete, war schnell in New York und erst am späteren Abend wieder an meinem Schreibtisch.« Aber dann kamen die Videokonferenzen auf, das ganze Gequengel, dass nichts über face to face gehe, einen Handshake könne man nicht via Bildschirm machen, hatte nichts genutzt, und falls doch, First war auch gestrichen worden, man musste sich mit Möchtegerns in die Business quetschen.
    Dann war die Swissair den Bach runtergegangen,

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