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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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die Concorde auch, und jetzt das. Meeting four p.m., Americas, enclosed ticket, hatte er heute Morgen mit der internen Post erhalten. Früher ein Anlass zur Freude, jetzt einer zur Sorge. Hugentobler dachte an klickende Handschellen bei seiner Einreise in New York, an eine überfüllte Flughafengefängniszelle, wo er mit schwitzenden Prekariatsmitgliedern aus der dritten Welt eine miefige Matratze teilen musste, der Horror. Wie konnten wir Schweizer Banker nur so tief sinken?, seufzte Hugentobler, aber viel wichtiger ist die Frage: Was tun?
    Okay, dachte Hugentobler, rumsitzen bringt ja auch nichts. »Verbinden Sie mich mit Legal, Special Department«, bellte er in die Gegensprechanlage, und zwei Minuten später stellte ihm seine Assistentin den Anruf durch.
    »Mörgeli, was kann ich für Sie tun?«
    »Nun«, sagte Hugentobler, »ich habe übermorgen ein Meeting in New York, und ich wollte mich mal erkundigen, wie man herausfinden kann, ob es da, ähm, also bei der Einreise juristische Aspekte geben könnte, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Die kurze Pause vor der Antwort bewies Hugentobler, dass er nicht der Erste war, der diese Frage stellte. »Das ist eine Frage, die sich in dieser kurzen Zeit nicht endgültig beantworten lässt«, sagte Mörgeli mit neutraler Stimme, »wir müssten da eine Anfrage via Berner Botschaft ans State Departement richten, und selbst wenn wir da eine Antwort kriegen würden, liegt es ja bekanntlich im Ermessensspielraum des Immigration Officers, welche Überprüfungen er für angebracht hält. Wir empfehlen aber, einen sauberen Laptop mitzuführen. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    Hugentobler schluckte: »Und falls es zu, ähem, einer solchen Überprüfung kommen würde?«
    »Nun, angesichts Ihrer Kaderposition kann ich Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich die Lohnfortzahlung bis zu einem Jahr übernehmen, ebenfalls die Kosten aller allenfalls nötigen juristischen Maßnahmen, natürlich unter der Voraussetzung, dass nicht ein persönliches Fehlverhalten vorliegt. Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Aufenthalt in New York.« Klick.
    Hugentobler saß wie ein begossener Pudel an seinem Schreibtisch. Das darf ja alles nicht wahr sein, dachte er, dann landete er wieder bei der gleichen Frage: Was tun? Endlich kam ihm die rettende Idee, ein kurzer Blick auf seinen Blackberry, dann telefonierte er schon: »Hallo Herr Doktor, wollen wir demnächst mal wieder dein Handicap testen? Prima, hör mal, zuvor brauche ich ein ärztliches Attest, ist wurscht was, ich kann einfach auf keinen Fall fliegen. Wieso lachst du da so blöd? Wie bitte? Ich bin schon der Fünfte diese Woche?«
Fünfundvierzig
    »Tja«, sagte Äbersold mit geheuchelter Anteilnahme, »leicht volatile Märkte stellen höhere Anforderungen an uns alle.« Vor allem an Millionäre, die zuschauen müssen, wie ihre angeblich sicheren Positionen, Schweizer Großbank, stabil wie das Matterhorn, wie Schnee in der Sonne zusammenschmolzen, dachte er.
    Er hörte sich ein Weilchen das leicht hysterische Gebrabbel an, das aus dem Telefonhörer quoll. Bin ich dem Medwedov schuldig, dachte Äbersold weiter, ist natürlich schon ein wenig bitter, wenn man Anfang Jahr noch stolzer Besitzer von zweihundertfünfzehn Tonnen war, von denen sich in nur vier Monaten dreiundsiebzig in Luft aufgelöst hatten.
    Okay, nun reicht’s, beschloss Äbersold, jetzt werde ich mal ein wenig Fachkompetenz auf den Russki runterregnen lassen, bevor der die dritte Flasche Wodka öffnet: »Jede Medaille hat zwei Seiten, mein lieber Medwedov, das ist so wie beim russischen Doppeladler, nicht wahr?« Nicht schlecht, klopfte sich Äbersold auf die Schulter, nicht schlecht. »Zum jetzigen Zeitpunkt haben Sie tatsächlich Buchverluste, aber wohlgemerkt, erst wenn Sie Ihre Positionen glattstellen, würden Sie die auch realisieren, nicht wahr? Nein, natürlich ist die Investition nicht weg, das sehen Sie völlig falsch, sie lässt sich im Augenblick nur nicht realisieren. Nein, um Himmels willen, eine Schweizer Großbank geht nie pleite, ausgeschlossen, da haben auch wir dann Väterchen Staat, das haben wir doch grad gesehen; da kann ich Sie beruhigen.«
    Das Gebrabbel hörte sich schon etwas ruhiger an, Der richtige Moment, da war sich Äbersold sicher, die zweite Stufe zu zünden: »Schauen wir die Sache doch an, wie sie ist, das kann ich Ihnen aus langjähriger Erfahrung sagen. Erste Option: Sie stecken den Verlust weg. Würde ich Ihnen auf keinen Fall

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