Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
sondern musste mit ihm weitermarschieren.
Eigentlich bedeutet das nur mehr und unerfreuliche Arbeit, seufzte Äbersold. Denn trotz all diesem Schnickschnack waren die Anleger ja nicht schlauer geworden. Die Kollegen am Paradeplatz und wir selbst haben noch rund hundert Milliarden Miese in unseren Büchern, so einfach ist das doch, und wenn wir die auf einen Schlag abschreiben würden, wären wir pleite, aus die Maus.
Also machen wir es scheibchenweise und hoffen auf bessere Zeiten, beten, dass Barnake nicht so dumm ist und den Leitzins raufsetzt, dass die Ölscheichs hübsch im Sattel sitzen bleiben und Osama und die ganzen anderen Irren nicht wieder ein paar Wolkenkratzer in die Luft sprengen. Na ja, grinste Äbersold, ein Meteoriteneinschlag größeren Kalibers wäre auch schlecht, ein Massenaufstand in China käme auch ungelegen, und die Explosion eines AKWs ist auch immer ein schlechtes Signal. Aber sonst ist doch eigentlich alles in Ordnung, wenn bloß die Anleger nicht immer so schnell hyperventilieren würden.
Aber eben, nickte Äbersold, im Moment ist es wirklich wie in einer Ehe, nach mehrfachem großen Ehrenwort, dass der letzte Seitensprung wirklich der letzte war, fehlt etwas der Glaube an die seltensprungfreie Zukunft. Aber die Anleger sollten sich doch ein Beispiel an vielen stabilen Ehen nehmen: Man gewöhnt sich an alles.
Wieso sollte sich der Investor nicht daran gewöhnen können, dass er gelegentlich gerupft wird?, fragte sich Äbersold und griff wieder zum Telefonhörer.
Achtundvierzig
»Tut mir leid«, heuchelte Kuster, »kann ich mir nicht erklären, wieso Sie mich gestern nicht erreichen konnten, ich sitze eigentlich immer an meinem Schreibtisch, und wenn ich mich gerade einmal aufdatieren lasse, um Ihnen kompetent neue Anlageempfehlungen geben zu können, ist mein Sekretariat gehalten, wichtige Anrufe wie den Ihren sofort auf mein Handy zu leiten. Nein, kein Problem, wird nicht wieder vorkommen. Gruß an die Gattin.«
Kuster schüttelte den Kopf, was meint der eigentlich, ständig machen nicht nur in Zürich neue Lokale, Golfplätze, Boutiquen und Antiquariate auf, dazu entstehen neue In-Places, die Preisentwicklung nicht nur der Bordeaux muss im Auge behalten werden, man muss wissen, was das neuste Spielzeug der Superreichen ist, immer noch Hotels kaufen oder schon was anderes, wie soll ich da ständig erreichbar sein? Von meinen sozialen Verpflichtungen ganz zu schweigen, Rotary, Kiwanis, Lion’s, Zunft, Offiziersverein, Yachtclub, dann war da die EM, ich weiß ja manchmal nicht, wo mir der Kopf steht. Meinen die eigentlich, ich erreiche mein Jahresziel, vierzig Tonnen Neuanlage, indem ich hier im Büro sitze, Däumchen drehe und gelegentlich blöde Fragen beantworte?
Apropos, dachte Kuster, Neuakquise, genau, da habe ich doch schon zwei Ostzonengewinnler in Berlin an der Angel, denen müsste ich endlich mal zeigen, was überlegene Schweizer Kundenbetreuung ist. Wir dürfen ja nicht, blöde EU, außerhalb der Schweiz richtige Verhandlungen führen, hat ja nicht nur Vorteile, keine Banklizenz im europäischen Umland zu haben. Aber gegen ein gemeinsames Kulturprogramm wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, nicht wahr? Schön, dass die beiden beim ersten Kontakt hatten durchblicken lassen, dass sie große Fans der Oper seien, aber nur im klassischen Bereich, nichts Neumodisches, bitte.
»Müller«, bellte Kuster in die Gegensprechanlage, »Ihr Organisationstalent ist gefragt. Tatort Berlin, KW 28, würde ich mal sagen, Samstag, Berliner Philharmonie, drei beste Plätze, aber nicht so, dass einem der Kalk der Geigen und Speichelfetzen der Sänger auf den Frack fliegen, Late Dinner im Fischers Fritz, ist wohl immer noch das einzige Lokal mit zwei Sternen, sollen mal den Homard à la presse in die Pfanne hauen, den gibt’s ja nur auf Vorbestellung, für mich die Suite im Schlosshotel im Grunewald wie immer, Freitag bis Montag. Genau, Limousine stand by, klar, um die Bars kümmere ich mich selbst, falls da Bedarf besteht. Kostenstelle Neuakquisition, richtig. Zuerst abklären, dann Einladung an Nummer 276/1 und 276/2 auf der Liste potenzielle Neukunden, Feedback an mich, asap.« Ein bisschen Entspannung muss ja auch mal sein, sagte sich Kuster, ein Tag geistige Vorbereitung und ein Tag die Leber auslüften, das braucht der Mensch schon.
Keine zehn Minuten später blinkte die Leuchtdiode auf Kusters Anlage. »Sagen Sie bloß nicht, das Schlosshotel ist ausgebucht. Was? In der
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