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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Hinderli starrte fassungslos Franke an: »Aber, aber, was soll denn das?«, stammelte er.
    »Wissen Sie«, sagte Franke, »Ihr Fürst mag ja ein nettes Schloss haben, aber Straffreiheit kann er mir leider nicht gewähren, also gehe ich doch lieber auf Nummer sicher, Sie verstehen das bestimmt.«
Zweiundsiebzig
    Hugentobler hatte wie ein Löwe gekämpft, seine Unabkömmlichkeit an seiner Stabsstelle in die Schlacht geworfen, sogar einen Moment mit dem Gedanken gespielt, ein ärztliches Attest zu besorgen, aber schließlich hatte er sich murrend in sein Schicksal gefügt. Das ist aber das allerletzte Mal dieses Jahr, hatte er grimmig angekündigt.
    Natürlich war es so schlimm, wie er befürchtet hatte, der Fortbildungskurs »New Flexible Financial Tools, Options taylor made and fit for the Future«. Wer sich wohl diese schwachsinnigen Titel ausdenkt? grübelte Hugentobler, während er im Power Meeting Point, früher hieß das Seminarraum und das ging ja auch, gelangweilt im Tagungsprogramm, pardon, Schedule Abstract, blätterte. Introduction, Kickoff, Key Note, Basics, Group Work, Results, Q&A, Summary, Bye-Bye, was für eine Ansammlung von Unsinn, dachte Hugentobler.
    Vorne laberte sich wie immer so ein aufgebürsteter Angeber des Inhouse-Research-Teams, was immer das sein mochte, durch das Einmaleins der Optionen, stolperte nur dreimal bei der richtigen Definition von »in the money«, »out of the money« und Barrier Options, und als er bei Cliquet und Ladder Options angekommen war, war es klar, dass auch der letzte Teilnehmer im Raum geistig ganz weit weg war.
    Im Prinzip ist es doch ganz einfach, dachte Hugentobler. All der Schrott, den man unter dem schönen Begriff Derivate zusammenfassen kann, ist für Leute, denen es im Casino zu langweilig ist. Eine teuflische Mischung von Spekulationen auf die Zukunft plus Hebelwirkung, ungefähr so ungefährlich wie das Jonglieren mit Nitroglycerinflaschen.
    Der Langweiler mit seiner Power-Point-Präsentation war inzwischen bei den Sensitivitäten und Kennzahlen angelangt und arbeitete sich, offensichtlich an seiner Leistungsgrenze angelangt, durch die Griechen, von Delta bis Omega. Hugentobler hörte amüsiert mal kurz rein: »Eine Option mit einem aktuellen Hebel von zehn und einem Delta von fünfzig Prozent hat also ›nur‹ ein Omega von fünf, der Schein steigt also etwa um fünf Prozent, wenn die Basis um ein Prozent steigt.«
    Super, dachte Hugentobler, bei einer Versammlung von Nostradamus-Anhängern würde es auch nicht absurder tönen. Mal schauen, ob ich da nicht etwas Schwung in die Veranstaltung bringen kann, sonst falle ich hier noch vom Stuhl, und Hugentobler hob seine Hand.
    »Nun, Q&A wäre eigentlich erst im Anschluss an die Gruppenarbeiten«, sagte der Referent, »aber bitte, Sie haben eine Frage?«
    »Jawohl«, sagte Hugentobler, »sehe ich das richtig, dass ich auch eine Call-Option zeichnen kann, die sich als Basiswert darauf bezieht, dass der zweite Gummibaum von rechts neben dem Eingang der Börse von Tokio in den nächsten vierundzwanzig Stunden ein Blatt fallen lässt – oder eben nicht?«
    Der Referent blinzelte etwas ungläubig mit den Augen, aber eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass ihn hier jemand auf den Arm nehmen wollte: »Ein etwas ungewöhnliches Beispiel, aber im Prinzip, nun ja …«
    Hugentobler legte nach: »Oder nehmen wir eine Put-Option darauf, ob Sie sich beim anschließenden Power Lunch die Krawatte bekleckern?«
    Der Referent kniff die Lippen zusammen und fing an, übel zu nehmen: »Also ich weiß nicht, ob diese Beispiele uns hier wirklich weiterbringen.«
    Aber Hugentobler bog schon in die Zielgerade ein: »Okay, dann hätte ich eine einfachere Frage. Wie würden Sie den Unterschied zwischen Roulettespielen und Optionshandel definieren? Beim Roulette werden die Einsätze einfach umverteilt und die Bank gewinnt immer. Wenn die Bank pleite geht, dann kann ich meine Chips nicht einlösen. Ist bei Optionen genauso, außer, dass ich beim Roulette nicht nachschießen muss, sondern höchstens meinen Einsatz, der auf dem Tisch liegt, verliere. Nun, wenn Sie da nicht noch Wesentliches zu ergänzen haben, könnten wir eigentlich gleich zum Lunch übergehen. Ich setze übrigens hundert Franken darauf, dass Sie sich Ihre Krawatte bekleckern, fünfzig, dass nicht. Will da jemand, im Rahmen einer Over-the-Counter-Option, dagegenhalten? Es gibt immerhin Salat und Suppe.«
Dreiundsiebzig
    »Ist ja faszinierend«, sagte Kuster

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