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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Äbersold, während er die Kundenliste überflog, die er heute anrufen musste, um ihnen mal wieder ein neues Derivat ins Portefeuille zu drücken, das ist eigentlich ein Synonym für Bankrott. Aber das würde er seinen Kunden natürlich nicht erzählen, deswegen dachte er es sich als Einstimmung auf den langweiligen Vormittag einfach mal durch.
    Betrieben wird es von Psychopathen, Zockern, Koksern und Kriminellen wie Phillip Bennett. Allerdings haben da die Anleger ein Gedächtnis wie ein Sieb, denn wer erinnert sich heute schon noch an den Konkurs von Refco, obwohl der nur ein paar Jahre her ist, brummte Äbersold. Bis 2005 war Refco der größte Broker in Chicago und drehte auch die ganz großen Räder weltweit, bis er die Bücher deponieren musste und der Chef wegen Bilanzfälschung in den Knast wanderte.
    Für einen Investmentbanker gibt es eigentlich nur zwei Zustände, führte Äbersold seinen Gedanken weiter, das ist wie beim Computer, eins oder null. Entweder trägt er dicke Hosenträger und fühlt sich als Herr des Universums, oder er trägt Gefängniskluft und hat vorher weinerlich eingestanden, dass er seine schrecklichen Taten bereue. Also sind Investmentbanker mit dicken Hosenträgern und einem Selbstbewusstsein wie ein Wolkenkratzer Kriminelle, denen man ihre Taten noch nicht nachgewiesen hat.
    Die einzige Art, wie ein Investmentbanker Erfolg haben kann, ist, wenn er schneller, skrupelloser und krimineller handelt als alle anderen, denn alle Investmentbanker sind schnell, skrupellos und kriminell, sonst haben sie ihren Beruf verfehlt. Äbersold war sich ziemlich sicher, dass er das seinen Kunden nicht erzählen würde. Die erinnerten sich schließlich auch nicht daran, dass man in den USA schon 1933 normale Banken und Investmentbanken voneinander getrennt hatte, nachdem die Investmentbanker die erste große, schöne Spekulationsblase hergestellt hatten, die dann alles in die große Depression riss. Dass die Welt inzwischen Dotcom und Hyposchrott einigermaßen überstanden hatte, liegt ja nur daran, grinste Äbersold, dass genügend Geld auf dem Planeten rumschwirrt, das gelegentlich umverteilt wird.
    Muss man sich mal vorstellen, schüttelte Äbersold den Kopf, mit geliehenem Geld, das im Normalfall um den Faktor fünfzig das eigene Geld übersteigt, spekulieren diese Verrückten darauf, dass man irgendwo innert kürzester Zeit einen Reibach von zwanzig Prozent oder mehr machen kann, eher dreißig Prozent, denn von irgendwas müssen ja auch alle ihre hübschen Boni bezahlt werden.
    Das kann eigentlich nur dann funktionieren, wenn man legal Gelddruckmaschinen kaufen dürfte, kicherte Äbersold, da man das aber nicht kann, ist das so, wie wenn man an einem Formel-eins-Rennen teilnimmt. Allerdings mit einem Boliden, der kein Steuerrad und keine Bremsen hat.
    Man setzt sich wichtigtuerisch den Helm auf, klappt das Visier runter, macht mit beiden Händen das Daumen-Hoch-Zeichen, und tritt aufs Gas. Dass auch das Visier völlig undurchsichtig ist, erzählt man natürlich niemandem, denn schließlich müssten die Zuschauer ja wissen, dass niemand in die Zukunft sehen kann. Und wenn der Investmentbanker dann tatsächlich und aus reinem, irrwitzigen Zufall die erste Runde überstanden hat, klettert er aus dem Wagen, macht das Victory-Zeichen und köpft die Magnum-Champagnerflasche.
    Äbersold seufzte und griff zum Telefonhörer: »Herr Winters, guten Morgen. Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Ich hätte da für Sie als geschätzten Kunden ein interessantes M&A, absoluter Geheimtipp. Wenn Sie da einsteigen wollen, wir hätten Ihnen da eine derivative Lösung anzubieten, mit Stop-Loss-Schwelle und allen Schikanen. Sicherlich, ich schicke Ihnen gleich das Anlagemodell rüber. Wie bitte? Nun, Sie wissen, ich kann keine Gewinnversprechen machen, niemals, aber unsere Investmentbanker gehen von einem potenziellen Gewinn von, also rein unverbindlich in den Raum gestellt, zwanzig Prozent aus. Nein, quaterly, Herr Winters, quarterly. Ist natürlich nicht ganz risikofrei …«
Fünfundsiebzig
    Kuster erinnerte sich noch dunkel, wie er damals das Manual überflogen hatte. Garantierte Geldanlage, erstklassige Schuldner wie staatliche Institutionen, Museen, Gemeinden. Obligationen at its best, hatte es geheißen, da die Anlageheinis ja eigentlich weder Deutsch noch Englisch konnten. Dann das Wording, also was er seinen Kunden erzählen sollte, »verbindet den Pep einer Aktie mit der Sicherheit einer Obligation,

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