Bank, Zsuzsa
hinter dicken
hellbraunen Mauern, mit einer Hausmeisterin, in deren Gesicht alles
auseinanderfloh, als wollten Nase, Augen und Lippen wegdriften, als strebten
sie voneinander weg, wenn sie hinter dem Tor aus ihrem kleinen Fenster
schaute, wenn sie den Dreck mit einem Besen hinauskehrte und wir nie wussten,
mit wem sie gerade schimpfte, ob mit ihrem Kind oder Hund, die beide unter
Wäscheleinen über den Hof tollten, in den trotz der Sommersonne kaum Licht
drang. Wir hatten drei Zimmer unterm Dach, die für uns groß genug waren, einen
winzigen Balkon vor der Küche, und Fensterläden, deren dunkelbraune Farbe
blätterte, wenn wir sie aufstießen, festhakten und den Klang von Sirenen
hereinließen, den die Rettungswagen auf den Uferstraßen ins Viertel gossen,
als könnten sie uns nicht oft genug ans Leben erinnern, und daran, dass es
eines Tages enden würde.
Wir brauchten nicht viel, der
Blick auf die gestreiften Markisen gegenüber reichte, unser Herd, auf dem wir
den Kaffee in einer Blechkanne kochten, die Liege in jedem Zimmer und der
Strauß gelber Dahlien, den Aja immer mittwochs an einem der Straßenstände
kaufte und in eine Vase stellte, die sie unter der Spüle gefunden hatte, damit
etwas auf uns warte, wie sie sagte, wenn wir das Haus verließen, um unsere Zeit
auf den Plätzen zu vergeuden. Es machte uns nichts, wenn beim Duschen der
Schaum aus dem Abflussgitter trat und über den Steinboden lief, wenn der Gestank
der Abfalltonnen zu unseren Fenstern drang, weil der Müll nicht geholt worden
war, und wenn man uns im Haus kaum grüßte, weil sich die Nachbarn Dinge über
uns zusammenreimten, die sie abhielten davon. Wir hatten die Hitze, die uns
überfiel, sobald wir die Laken zurückschlugen und aufstanden, den Staub auf
unseren Gesichtern und Armen, den Mond, der abends vor unseren Fenstern auf die
Dächer sank und die weißen Laken an den Leinen wie Segel aussehen ließ, als
brauche es nur einen Windstoß, damit sich die Häuser lösten und wie Schiffe
davonschwebten. Wir hatten den Lärm der Straße, mit ihren Stimmen und Rufen,
dem Knattern der Roller, das uns nachts in den Schlaf und am Morgen zu einer
Bar an der Ecke trug, in der wir Kaffee aus einem Glas mit heißer Milch
tranken, den Aja fast singend bestellte, weil sie glaubte, es so bei den Römern
gehört zu haben. Karl hatte den Balkon vor unserer Küche, an dessen Brüstung er
seinen Blick über die rostroten Dächer, die wenigen Baumkronen schickte und
Fassaden und Terrassen abtastete, die er mit seiner Kamera in winzige
Ausschnitte teilte und einfing. Es sah aus, als habe er einen Ort gefunden, den
er nicht verlassen brauchte, als könne er von hier oben genug sehen und müsse
nicht weiter ruhelos durch die Straßen laufen.
Aja hatte in einer der ersten
Nächte einen Schuh auf der Spanischen Treppe verloren und war am nächsten Tag
barfuß zu einem der Stände am Bahnhof gegangen, an denen man den Preis
aushandeln konnte. Sie hatte Strandschuhe genommen, mit drei gelben Stoffblumen
über den Zehen, die sie früher nie getragen hätte, weil sie eher zu Évi gepasst
hätten, aber jetzt lief sie leicht und schnell in ihnen durch die gleißend
hellen Tage, obwohl sie die Hitze schlecht vertrug, schlechter als die Kälte,
die ihr in Évis Haus in den klammen Monaten im Herbst und Winter nie viel ausgemacht
hatte. Wenn sie morgens die Läden öffnete und wieder Farbe abblätterte, wenn
sie an die Wand schlugen und Aja sie festhakte, freute sie sich schon übers
erste Blau, das der Tag über die Dächer warf, und wenn sie sich aufmachte, mit
Sonnenhut und neuen Schuhen, sah sie anders aus, so wie ich sie vorher nie
gesehen hatte, als habe die lange Reise sie verändert und dann jeder weitere
Tag, den wir hier verbrachten, als habe sie sich schnell entfernt von allem,
was sie bislang gewesen war.
Wir berauschten uns am Klang der
Sprache, die als dichtes Netz über der Stadt lag, alles einnahm und überallhin
drang, mit ihren vielen Sprüngen und seltenen Pausen, an der Schnelligkeit, mit
der sie gesprochen wurde, von denen, die in den Gassen rund ums Pantheon, an
den vielen Brunnen und am Tiberufer an uns vorbeizogen. Wir lasen die
Schriftzüge über den Geschäften und sagten sie laut vor uns her, und so wie Aja
und ich in unserem ersten Sommer alles rückwärts gelesen hatten, nahmen wir
jetzt die Wörter auf den Plakaten und Schildern auseinander, jedes Mal, wenn
wir mit dem Bus die Stadt abfuhren, um sie kleiner zu machen, um sie mit
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