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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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nicht
verschwunden, hätte es Karl in unserem Leben nie gegeben. Auf diesen komischen
Gedanken hatte uns Évi gebracht, und vielleicht hatte es etwas mit ihrem
kleinen Altar neben dem Fliegengitter und den Blüten darauf zu tun, dass sie so
dachte, aber etwas daran störte mich, ohne dass ich es damals hätte sagen
können, etwas daran hat mich immer schon gestört, und ich weiß, Aja und Karl
hatten diesen Gedanken auch nie gemocht. Wenn wir an Évis schiefem Küchentisch
Stifte verstreuten, malte Karl auf jedes seiner Blätter ein Kind, das abseits
von den anderen stand. Als er sagte, er male seinen Bruder, fragte Évi, ob
Karl nicht etwas habe, das sie für ihn aufbewahren, etwas, das sie vielleicht
in den Garten hängen oder aufstellen könne, ob Karl nicht etwas habe, das sie
seinem Bruder geben könne, wenn sie ihn sehe, wenn er an ihrem Zaun vorbeilaufen
würde, weil er auf dem Weg nach Hause wäre, etwas, das sie dann holen und in
seine Hände legen könnte, und sie fragte beiläufig, als habe es kein Gewicht
und keine Bedeutung, während sie Kartoffeln aus einem Eimer nahm, mit dem
kleinen schwarzen Messer schälte und in einen Topf mit Wasser fallen ließ.
    Am nächsten Tag brachte Karl ein
Kästchen aus Blech, um das er einen Gummi gebunden hatte und das er schon am
schiefhängenden Tor öffnete. Évi nahm es in die Hand, um es eine Weile zu
betrachten und zu bewundern, ein zitronengelbes Kästchen, in dem einmal kleine
Tafeln Schokolade in buntem Papier gelegen hatten und das nun gefüllt war mit
hellgrünen und dunkelblauen Murmeln, die Karl und sein Bruder unzählige Male
ans Fenster geschnipst hatten, auch an ihrem letzten Sonntag, der sich in
nichts von anderen Sonntagen unterschieden hatte, sosehr Karl sich auch
anstrengte, etwas zu finden, das an diesem Sonntag anders gewesen war als an allen
Sonntagen zuvor. Wir sollten einen Platz suchen, wo es nicht nass werden, wo
es niemand sehen und wegnehmen würde, sagte Évi, und dann suchten wir, liefen
über den Rasen mit seinen Mauselöchern und Maulwurfshügeln, tasteten ihn ab,
als brauchten wir ein Erdloch, eine Grube, die einen Schatz aufnehmen könnte.
Wir stellten uns auf die schiefen Armlehnen der Stühle und fuhren mit den
Fingern an den Ästen der Birnbäume, an der Regenrinne des Häuschens entlang,
die Zigi im jüngsten Herbst wieder geflickt hatte. Wir schauten zwischen die
Hasenkästen und in die Schubladen unter den Mänteln, die wir streiften, jedes
Mal, wenn wir durch den schmalen Flur in die Küche gingen. Wir suchten einen
Platz für das Schokoladenkästchen aus Blech, weil Évi es brauchen würde für
Karls Bruder, wenn er sich hinter dem Mais, hinter dem Weizen zeigen und sich
über den Feldweg langsam nähern würde. Évi würde sich beeilen, es zu holen,
sie würde es ihm reichen und sagen, dein Bruder hat es mir gegeben, damit ich
es für dich aufbewahre. Wir legten es aufs Küchenregal neben dem Fenster, neben
seine bunten Vorhänge, unter die Rosen aus Papier, damit es nicht nass werden
und damit kein Tier daran nagen würde. Évi schob es an die Wand, damit es
keiner sehen und wegnehmen würde, und obwohl es mit dieser Bewegung aus unserem
Blick verschwand, vergaßen wir es nicht mehr. Wir wussten immer, wo es war und
warum es dort lag, jeder von uns hätte einen Stuhl heranziehen und es holen
können, um es Karls Bruder zu geben, wenn er eines Tages an Évis Lattenzaun,
unter unseren Linden vorbeilaufen würde.

Lesen
     
    Neben wenigen Steinen, die Zigi
ans Fliegengitter gesetzt hatte, wuchs der Grünspan auf einem Kupferrohr. Er
kletterte hoch an Évis Haus, Jahr für Jahr schien er mit uns zu wachsen, bis
ans Blech der Regenrinne, wo die Schwalben nisteten. Wir störten uns nie daran,
wir fanden ihn hübsch, auch wie er sich absetzte vom Holz der schiefen Bretter,
so hübsch, dass Évi ihn erst entfernen ließ, als jemand das Wort giftig in den
Mund genommen hatte. Wir wuchsen, wie Kinder wachsen, ohne etwas dafür tun zu
müssen, und wir merkten es nur an den Kleidern, die unsere Mütter im Frühling
und Herbst aus den Schränken nahmen und in Kisten verstauten, oder wenn auf dem
großen Platz unter den Platanen jemand sagte, wie bist du groß geworden, wie
bist du gewachsen. Karl hatte schon vor einer Weile angefangen, sich mit Aja
und mir in den Dreck zu werfen. Er trug jetzt eine Brille mit einer runden
Fassung aus Horn. Auch wenn es ausfranste, ließ er sein Haar nicht mehr vom
Friseur stutzen, zu dem ihn seine Mutter

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