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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Entfernung würde sie nicht vorbeischießen. Das großkalibrige Neun-Millimeter-Geschoß der Heckler & Koch würde ein Loch in die Tür reißen, durch das ein Mensch seinen Kopf stecken konnte. Nur nicht mehr derjenige, der dort draußen stand. Ihr Finger berührte den Abzug.
    »Johanna? Mach auf!«
    Fabios gedämpfte Stimme drang wie durch Wasser erst Sekunden später zu ihr. Die Zeit schien seltsam elastisch, der Augenblick des Begreifens endlos. Sie erkannte, daß er da draußen vor der Tür stand. Daß sie ihn fast erschossen hätte. Mit einem schrillen Aufschrei ließ sie die Waffe fallen, wie ein bösartiges, bissiges Tier, das seine Fänge in ihre Hand gebohrt hatte. Sie schrie erneut auf und warf den Kopf nach hinten, schlug ihn gegen die Wand. Ein Schuß löste sich aus der Pistole, als sie mit dem Fuß dagegentrat. Der Knall war kaum zu hören, doch der Rückstoß riß ihren Fuß zur Seite, so stark, daß Johanna in der ersten Sekunde glaubte, er wäre ihr abgerissen worden. Dann starrte sie auf die gegenüberliegende Wand, wo plötzlich ein faustgroßes Loch in der Tapete war. Putz rieselte heraus und färbte den Fußboden weiß.
    » Dio ! Johanna!« Jetzt war es Fabio, der schrie. Eine nicht abreißende Kette italienischer Flüche begleitete das Hämmern seiner Fäuste gegen die Türfüllung.
    Johanna schluchzte und kroch auf Händen und Knien zur Tür, über scharfkantige Brocken von Putz, die sich in ihre Handteller bohrten. Sie griff nach oben und drehte den Knauf.
    Er hatte es vergessen! Er hatte vergessen, daß der Schlüssel noch von innen gesteckt hatte und er daher von außen nicht aufschließen konnte. Anstatt gleich nach ihr zu rufen, hatte er versucht, seinen Schlüssel ins Schloß zu schieben und sich damit fast umgebracht. Ein winziges Versehen, und sie hätte ihn deswegen beinahe erschossen. Johanna sackte keuchend gegen die Wand. Schweiß rann ihr über die Stirn, den Hals, sammelte sich in der Senke zwischen ihren Brüsten. Fabio fiel vor ihr auf die Knie und zerrte sie vorwärts, stemmte sie hoch und preßte sie an sich. Er atmete ebenso heftig wie sie. Ihre Wange lag an seiner Brust, und sie hörte sein Herz in rasendem Tempo gegen ihr Ohr trommeln. Niemals zuvor hatte sie ein Geräusch mit solcher Gier in sich aufgesaugt wie dieses.
    Sie sprachen beide nicht. Sie hielten einander umklammert und horchten auf den Herzschlag und die Atemgeräusche des anderen, minutenlang. Johanna hob den Kopf, und ihr Mund fand den zuckenden Puls an seiner Kehle, doch Fabio schob ihr Gesicht behutsam fort. »Jetzt nicht, wir müssen weg.«
    »Ich hätte dich fast umgebracht«, flüsterte sie.
    »Ja. Ich hoffe, du kannst mir meine Blödheit verzeihen.« Er griff nach der Pistole, sicherte sie und schob sie achtlos in Johannas Handtasche. Er wollte sie ihr in die Hand drücken, aber sie schüttelte den Kopf. Er verstand sie auch ohne Erklärung und schulterte die Tasche selbst. »Kannst du gehen?«
    Sie schüttelte erneut den Kopf. Fabio hob sie ohne Umschweife auf die Arme und verließ mit ihr die Wohnung. Die Tür stieß er mit dem Fuß hinter sich ins Schloß.

16. Kapitel

    Helmberg saß am Schreibtisch in der Bibliothek seiner Villa, vor sich das Telefon. Von Zeit zu Zeit hob er die Blicke und schaute auf die Uhr, die auf dem Kaminsims an der gegenüberliegenden Wand stand. Das antike Gehäuse, das römische Zifferblatt und das laute Ticken waren nur nostalgisches Beiwerk. Die Uhr stammte aus Japan. Sie blieb niemals stehen und mußte nie aufgezogen werden. Helmberg schätzte Genauigkeit und Pünktlichkeit. Es war ein Uhr nachts, doch Johanna Herbst hatte nicht angerufen. Er war heute bereits um sieben Uhr zu Hause gewesen, denn sie hatten vereinbart, daß er spätestens ab acht erreichbar sein würde. Um acht hatte das Telefon geläutet, und Helmberg hätte beim Geräusch des Klingeins fast einen Infarkt erlitten. Als er abgehoben hatte, war seine Tochter am Apparat gewesen, sie rief an, um guten Abend zu sagen. Er hatte sie rasch abgefertigt, wobei es ihm nicht gelungen war, die Hysterie in seiner Stimme zu unterdrücken. Danach hatte er die Tür der Bibliothek hinter sich versperrt und seiner Frau untersagt, eines der Telefone im Haus anzurühren. Sie hatte ihn angestarrt, als wäre er verrückt geworden.
    Vielleicht war es so. Vielleicht wurde er verrückt, und langsam, aber unaufhörlich entglitt ihm sein Verstand; die Rationalität, auf die er immer so stolz gewesen war, rann aus ihm heraus und

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