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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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er alles getan hätte, um den nächsten Druck bezahlen zu können.
    »Du lügst. Halte mich nicht für blöd. Du weißt nicht, wo er ist.« Er steckte den Hunderter weg und zog einen Fünfziger hervor. »Wer außer dir könnte mir erzählen, wo er sich herumtreibt?«
    »Sein Bewährungshelfer. Was willst du überhaupt von ihm? Wenn du was brauchst, kannst du das auch woanders kriegen. Erstklassigen Stoff. Alles was du willst. Ich könnte dir jemanden...«
    Fabio wandte sich ab. Der Junge lief ihm nach. »He, lauf doch nicht weg! Was ist, willst du eine Nummer? Komm mit, ich bin echt gut! Ich mach’s auch ohne.« Er blieb abrupt stehen und wich zurück, als zwei der überall patrouillierenden Streifenbeamten wie aus dem Nichts auftauchten. Sie übersahen bewußt manches, was sich vor ihren Augen abspielte, aber ihre Geduld hatte Grenzen. Die meisten der kaputten, kranken Kinder im Frankfurter Hauptbahnhof wußten das und hielten sich daran.
    Fabio stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause.

    Strass und Amery gingen an diesem Tag die wenigen Minuten zu Fuß von der Place Vendôme über die Rue des Petit Champs in Richtung Place des Victoires. Das Wetter war prächtig. Der September hatte der Seine-Metropole in diesem Jahr nur goldene Tage beschert, und auch der Oktober hatte vielversprechend begonnen. Touristen bevölkerten die Stadt zu Zehntausenden. Geheimtips vom letzten Jahr waren längst keine mehr. Japaner mit schweren Kameras sammelten sich an allen sehenswerten Stellen, ebenso wie die wohlhabenden Rentner aus Florida und die Rucksackstudenten aus ganz Europa. Strass und Amery ließen sich inmitten eines solchen bunten Gewimmels in die Galerie Vivienne treiben. Die Luft in der prachtvoll restaurierten Ladenpassage vibrierte von dem vielsprachigen Stimmengewirr. Über dem hohen Säulengewölbe spannte sich ein langgezogenes Glasdach, durch dessen Sprossen die Sonne wie durch ein feines Gitter fiel und die aufwendigen Steinmosaiken des Bodens aufleuchten ließ.
    Amery blieb stehen und betrachtete die Auslagen bei Jean Paul Gaultier, der in der Passage ein Geschäft unterhielt. Strass baute sich unwillig neben ihm auf und sah sich dabei um, als erwartete er, verfolgt zu werden. Er blickte mehrmals ungeduldig auf die Uhr.
    »Was wollen Sie?« sagte Amery belustigt. »Wir haben noch fünf Minuten Zeit, mein Guter. Sie wissen, daß er auf die Minute pünktlich dort sein wird. Nicht eher und nicht später.« Er ging gelassen weiter, sah sich das Schaufenster eines Antiquariats an. Er trug wie stets in den letzten Wochen einen hellen, stark tailliert geschnittenen Leinenanzug mit breiten Revers. Das maßgefertigte Hemd darunter hatte einen schmalen Stegkragen und war so steif gestärkt, daß es knisterte. Über den handgenähten englischen Schuhen trug er Gamaschen. Er hatte sich einen schmalen Oberlippenbart wachsen lassen, der ihm eine frappierende Ähnlichkeit mit einem ehrwürdig gealterten, weißhaarigen Errol Flynn verlieh. Er ging vollständig in seiner Rolle auf. Er war Camillus Amery, der Milliardär, der sagenumwobene, eigenbrötlerische Selfmademan aus dem Orient, der seit zwei Monaten in einer der teuersten Suiten des Ritz residierte, wo eine einzige Übernachtung fast soviel kostete wie ein neuer Kleinwagen.
    Strass wischte sich den Nacken. Bedrohliche Röte färbte seine Stirnglatze. Es war nicht mehr allzu warm, aber er schwitzte trotzdem. Seine Körperfülle machte ihm zu schaffen. Er wußte genau, daß Amery ihn absichtlich reizte, indem er unweigerlich seine Schritte beschleunigte, wenn sie zusammen unterwegs waren. Zuerst trödelte er herum und verzögerte so den Aufbruch, nur um Strass später mit seinem raschen Marschtempo zur Verzweiflung treiben zu können.
    Sie hatten Anweisung, den Bentley nur dann zu benutzen, wenn ihre Ausflugsziele außerhalb der Stadt lagen. Amery war ein leidenschaftlicher Wanderer. Auch das gehörte zur sorgsam kultivierten Legende des exzentrischen Bonvivants.
    Strass gab sich redlich Mühe, der Rolle gerecht zu werden, die ihm selbst in diesem Spiel zugedacht war, zum ständigen Spott Amerys, der keine Gelegenheit ausließ, ihn zu hänseln. Allerdings machte Strass sich keine Illusionen. Er fand sich auch nach eigener Einschätzung als persönlichen Sekretär eines Nabob nicht allzu überzeugend. Er hatte nicht zu Unrecht das Gefühl, ein weniger guter Schauspieler zu sein als der selbstherrliche Amery. Dazu kam das Problem der Kleidung. Er war, ebenso wie Amery, von

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