Bankgeheimnisse
Du wirst für uns alle Fettuccine kochen, so wie immer.«
»Ich koche, und ich mache deine Wohnung sauber.«
»Du darfst alles tun, was du möchtest. Wie lange bleibst du diesmal?«
»Vier Wochen.«
Er konnte ein breites, glückliches Grinsen nicht unterdrücken. Vier Wochen! Er würde sie vier Wochen lang für sich allein haben!
Er sagte ihr, daß er sich freute, und sie weinte wieder, als er sich verabschiedete. Die Arbeit ging ihm nach dem Gespräch leichter von der Hand als sonst. Er scherzte und lachte wie immer mit Giuseppe und den Frauen, aber er war nicht mit dem Herzen dabei. In seinen Gedanken beschäftigte er sich unablässig mit seiner Schwester. Sie war einundvierzig, zehn Jahre älter als er, und für Fabio war sie Schwester und Mutter zugleich. Ihrer beider Mutter war kurz nach Fabios Geburt gestorben, und Gina war an ihre , Stelle getreten.
Er überlegte, was er mit ihr alles unternehmen würde, während sie in Frankfurt war. Was er ihr diesmal zeigen würde von der Stadt, die jetzt seine Heimat war. Beim letzten Mal hatten sie nur zwei Wochen gehabt. In dem Jahr davor war es eine gewesen. Sie mußten sich mit dem zufriedengeben, was sein Schwager Ernesto ihnen zugestand.
Fabio betrachtete zerstreut Giuseppe, der mit behenden Bewegungen am Herd hantierte. In seiner Freude über den Besuch seiner Schwester hätte er fast die Verabredung vergessen, die er an diesem Nachmittag noch einhalten mußte. Seine Laune verdüsterte sich.
Als er mit dem Teig fertig war, half er den Frauen, Pfahlmuscheln für den Hauptgang zu waschen und zu enthärten. Um halb vier warf er das Messer hin, schrubbte sich die Hände mit Seife und Zitronensaft und nahm die Schürze ab. Er zog seine Jeansjacke über, verließ das Haus durch den Lieferanteneingang und ging zu den Parkplätzen hinter dem Gebäude. Wenn er keine Einkäufe für das Forchetta zu erledigen hatte und das Wetter es zuließ, fuhr er mit seinem anderen Wagen, einem offenen, knallroten alten Karmann Ghia, an dem es ständig etwas zu reparieren gab. Vor vier Jahren hatte er ihn zufällig vor irgendeiner Werkstatt stehen sehen, mit einem Verkaufsschild hinter der Windschutzscheibe, und sich auf der Stelle in den Wagen verliebt. Er hatte ihn zu einem lächerlich hohen Preis vom Erstbesitzer erworben. Der Mann hatte ihn fünfundzwanzig Jahre lang gefahren und hätte bei der Schlüsselübergabe fast einen Rückzieher gemacht.
Heute war es trocken, aber windig und kühl. Er würde in diesem Jahr nicht mehr oft mit heruntergeklapptem Verdeck fahren können. Der Fahrtwind schnitt ihm ins Gesicht, die Haare flatterten um seine Stirn, und das Geräusch der Reifen auf dem Asphalt dröhnte in seinen Ohren. Er dachte an seine Schwester, legte den Kopf in den Nacken und genoß die Fahrt durch die Stadt. In solchen Momenten fühlte er sich glücklich.
Er hielt sich in östlicher Richtung, fuhr auf dem Alleenring stadtauswärts. Der Verkehr wurde dichter, die Fahrt weniger angenehm. In der Nähe des Zoos kurvte er mehrmals um die Häuserblocks und suchte eine Viertelstunde lang vergeblich nach einem Parkplatz. Anscheinend gab es trotz der zunehmenden Herbstkühle immer noch genug Leute, die Lust auf einen Nachmittag im Zoo hatten. Er fluchte unterdrückt, weil Micky sich ausgerechnet diesen Treffpunkt ausgesucht hatte. Schließlich gab er es auf und stellte den Wagen ins Halteverbot. Er war bereits fünf Minuten zu spät dran. An der Kasse mußte er warten. Eine Schlange entnervter Erwachsener und unruhiger Kindern schob sich vor ihm durch den engen Eingang. Er blickte auf die Uhr. Zehn nach vier. Er fragte sich, wie lange Micky warten würde. Vermutlich lange genug, schließlich war er es, der etwas von Fabio wollte.
Da er sich auf dem Zoogelände nicht auskannte, nahm er sich die Zeit, einen Wegweiser zu kaufen. Er drängte sich an schaulustigen Besuchern vor dem Freigehege der Paviane vorbei. Der Wind wehte von den Behausungen der Ziegen und Hängebauchschweine durchdringenden Gestank herüber, und Fabio beeilte sich, weiterzukommen. Vor dem Gehege des Nilpferds sah er ihn. Micky stand an der Absperrung, wie verabredet. Er überragte die Umstehenden. Sein hellblonder Schopf leuchtete inmitten einer Schar schnatternder Kinder. Er hielt sich mit einer Hand eine winzige Spielzeugkamera vor die Augen und schaute durch das Okular. Sein Zeigefinger krümmte sich in kurzen Abständen, drückte auf einen Knopf. Fabio hörte das schwache Klicken und erinnerte sich, als
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