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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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sind dann einfach nach Hause gegangen. Aber da gewöhnt man sich dran. Und mittlerweile gibt’s auch wieder Klopapier …«
    Den ganzen Tag über kam es mir so vor, als wäre jede zweite Glühbirne der Deckenbeleuchtung ausgeschaltet, sowohl bei uns drinnen als auch auf den wenig frequentierten Fluren, obwohl sie in der Tat alle brannten. Es ist nur die Spannung in der Atmosphäre, die gesunken ist, die Erwartungen sind verschwunden – die Zukunft ist nicht mehr so überwältigend hell, so hell, dass die dort fabrizierte Lichtverschmutzung auch gleich alle anderen Zeiten mitverschmutzt. Trotzdem habe ich damals die unwahrscheinlichsten Männer und Frauen lachen – ja, Grimassen schneiden und ohne Bedenken lauthals lachen sehen. Die Spannung war nicht für alle da, und diese Unwahrscheinlichen lockern auch jetzt ihre Krawatten und Fliegen und lachen bärtig auf den Fluren, ohne Angst davor zu haben, Vertrauen oder Glaubwürdigkeit zu verlieren; sie haben nichts zu verlieren, schon alles verloren.

08.12. – Montag

    Etwas hat mich aus dem Bett gezogen, als Harpa den Duschhahn zudrehte. Ehrlich gesagt, hatte sie mir keine Wahl gelassen, weil sie gesagt hatte, wie »nice« es doch sei, dass wir nun beide wieder arbeiteten, obwohl es »natürlich nur befristet« sei, »aber befristet befristet« – sie hat über die sich abzeichnende Stabilität geredet, während ich nicht sicher war, ob ich überhaupt aufstehen wollte.
    Aber kurz nach Harpa stand auch ich unter der Dusche – wir haben den kompletten Morgentanz getanzt, ohne dem anderen auf die Füße zu treten, obwohl wir es zwei Monate lang nicht mehr getan hatten – rechts und links, rasieren, duschen, abtrocknen, anziehen, eincremen, Frisur, Bett machen und essen – tanzten so lange, bis Harpa sich um 8:15 Uhr mit Kuss und Umarmung verabschiedete.
    Die halbe Stunde, bis ich aufbrechen musste, lag wie eine ganze Ewigkeit vor mir. Ich habe mich an den Esstisch gesetzt und vor mich hin gestarrt. Kohlschwarz draußen und die Fensterscheiben wie Spiegel, ich wie die angelaufene Bronzestatue eines alten Mannes – dabei ist es erst ein paar Monate oder Wochen her, dass ich jung war und Harpa und ich abends dort am Tisch gesessen und an unseren Computern gearbeitet haben, online und die ganze Welt zwischen uns – oder auch nur eine hochbeinige Kristallschale voller künstlicher Dekofrüchte.
    Harpa hat gelächelt, als sie ging. Sie hat ihr unkontrollierbares Lächeln gelächelt, bei dem das ganze Gesicht strahlt. Seit Ende letzten Monats hat sie irgendwie traurig gewirkt. Gerade beaufsichtigt sie die Kinder bei einer Prüfung. Ich bezweifle nicht, dass sie lieber an der Tafel stehen und unterrichten würde, bezweifle nicht, dass sie sich lieber über die Kinder beugen oder sich an die Tischkante hocken und ihnen alles vorsagen würde. Es ist sicher hilfreich, sich melden und sie zu sich rufen zu können, wenn man bei einer Prüfungsfrage hängen bleibt.
    Harpa hat gelächelt, als sie ging, und ich bekomme die Bilderfolge nicht aus dem Kopf: Sie steht an der Tür, blickt über die Schulter, die Augen wie zwei geheimnisvolle Lichtquellen, sie senkt den Blick, öffnet die Tür, geht raus und schließt sie leise. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich unten die Haustür zufallen hörte. Ich saß einige Minuten in dieser verdünnten Dunkelheit, im Schein des Halogenlichts aus der Küche, saß, solange es ging, bis mich ihr Lächeln nach draußen zog. Da dieses Lächeln mit der Vorstellung verknüpft war, dass ich bald zur Arbeit gehe, konnte ich unmöglich noch länger dort sitzen bleiben.
    Aber wie kam es dann dazu, dass ich mich dem Mitarbeitereingang trotzdem entziehen konnte? Was konnte stärker sein als das Lächeln? Ich weiß es nicht, weiß nur, dass ich an der schweren Holztür vorbeiging und ganz und gar nicht sicher war, das Richtige zu tun – im Moment habe ich keine Lust, die Situation zu analysieren. Ich konnte einfach nicht für die Insolvenzverwaltung arbeiten, für die alte Landsbanki, die nicht alt, sondern tot ist, und an deren Leiche herumgedoktert wird, Hirn und Leber gewogen, die Kapazitäten der Herzkranzarterien geschätzt … Meinetwegen soll sie in Frieden ruhen.
    Ich setzte mich hier in dieses Hotelcafé, sehe durchs Fenster die Heilsarmee, und wenn ich mich ein bisschen zur Seite lehne, das beleuchtete Alþingishús. Es war niemand da, als ich kam, noch nicht einmal zum Bedienen. Ich saß eine ganze Weile an einem runden Tisch mit

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