Bankster
hörten wir plötzlich auf. Ich weiß nicht, wie lange Harpa schon geistig abwesend gewesen war, bevor ich es merkte und von ihr abrückte. Sie sah mich an und lächelte, aber als sich die Lippen zu jenem Lächeln formten, atmete sie gleichzeitig kurz durch die Nase aus, daher wusste ich, dass sie nicht aus Freude am Leben lächelte. Einige Atemzüge später fragte sie, ob ich nicht daran gedacht hätte, ob ich denn nicht wüsste, und dann: »Hast du vergessen, dass ich meine Tage habe, Markús?«
Ich habe ihren Bauch gestreichelt, so, wie es ihr immer so guttut, und habe versucht zu verbergen, dass ich mich schämte, habe ihn lange in kleinen Kreisen unterm Nabel gestreichelt und ihre Augen und den Mund beobachtet, der in diesem verkehrten Lächeln gefangen war. Nach einer Weile sagte ich, dass ich ihr den Kräutertee aufgießen wolle, den sie bei Unterleibsschmerzen trinkt. Ich ließ genug Wasser für zwei Tassen in den Kocher laufen und schaltete ihn an. Die Küche schmücken wir nie viel, hängen höchstens einen Lichterkranz ins Fenster und stellen die rote Schale mit dem weißen Muster auf den Tisch, aber jetzt haben wir noch nicht einmal das getan. Während das Wasser kochte, ist es mir trotzdem gelungen, die Küche mit einem einfachen Handgriff viel weihnachtlicher zu machen: Ich habe die Jobanzeigen unter dem David-Hasselhoff-Magneten hervorgezogen und weggeworfen.
Harpa saß genauso auf dem Sofa wie zu dem Zeitpunkt, als ich mit den Streichhölzern aus der Küche gekommen war, hatte nur weniger an, hielt auf dem großen, weißen Ledersofa mit den nackten Armen ihre nackten Knie umschlungen. Ich gab ihr den Tee und reichte ihr die Wolldecke, legte die Weihnachtsplatte mit den drei Tenören in den CD-Player und stellte ihn lauter, bevor ich mich zu ihr setzte und mit beiden Händen meine Tasse hielt. In die Decke gewickelt hat sie sich an mich gelehnt, so wie man sich zum Ausruhen an eine Hauswand oder an irgendetwas Vertrauenswürdiges lehnt, und ich habe darauf geachtet, nicht nachzugeben, obwohl ich trauriger war als je zuvor in meinem Leben.
20.12. – Samstag
Harpa und ich sind gestern Abend kurz nach draußen gegangen, ohne wirklich Lust zu haben, fanden es nur wichtig, frische Luft zu schnappen. Ich habe Edda getroffen. Sie war mit zwei Freundinnen unterwegs und meinte, dass sie ihren Freund »in den Wind geschossen« habe. Ich kannte den Trottel und beglückwünschte sie. Sie wollte gleich wissen, warum ich »nur so selten bei den Donnerstagstreffen mit den lieben, alten Arbeitskollegen« aufkreuze. Aus irgendeinem Grund habe ich ehrlich geantwortet und gesagt, dass ich mich dort immer so unwohl fühle. Sie konnte mich verstehen, meinte aber, dass man sich kein unbegrenztes Elendsgefühl erlauben dürfe. Ich war nicht sicher, ob sie mich damit elendig genannt hatte oder mir nur einen Rat geben wollte, und wir haben uns weiter unterhalten. Sie war mir einige Getränke voraus, und während ich ihrem Redeschwall zuhörte, guckte ich oft zu Harpa, die bei Leuten saß, die ich nicht kannte. Edda erzählte, dass sie über Weihnachten im Kosmetikgeschäft ihrer Schwester arbeite, und sie forderte mich wiederholt auf, mal vorbeizuschauen, sie könne mir einen guten Rabatt geben. Ich fragte nach, ob sie denn nicht mehr ihre halbe Stelle im Ingenieurbüro habe. »Doch, gibt halt nur lange Weihnachtsferien wegen Auftragsmangel. Kosmetika sind jetzt gefragt.«
So kommt es, dass ich gerade im Einkaufszentrum Kringlan an einem Tisch im dritten Stock sitze, mit einer Tüte voller Parfums, Sonnenpuder, revolutionärer Wimperntusche und Feuchtigkeitscreme am Stuhl und der Verpackung von drei Cheeseburgern und einer halbleeren Cola von McDonald’s auf einem sonnengelben Kunststofftablett vor mir. Edda hat mir sicher einen guten Rabatt gegeben, aber das hat keine Rolle gespielt, das war kein Geschäft, und das wissen wir beide. Der Besuch war schlicht und einfach eine Solidaritätsbekundung. Es hat mir trotzdem Spaß gemacht, zu sehen, dass sie offensichtlich mit ihren Freundinnen vom B5 noch in die Apótek gegangen ist, wie sie auch gesagt hat, und sicher lange und mit derselben Energie wie vorher getanzt hat, mit ein paar Gläsern Vodka-Burn dazwischen – es gibt weder Kosmetika gegen rote Augen noch gegen eine derart träge Gehirntätigkeit.
Später
Auf dem Heimweg habe ich einen Werbespot im Radio gehört. Er war von einem Werkzeughandel, der bekannt gab, dass noch Motorgalgen, Motorständer und
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