Bankster
natürlich nichts sagen, so berauscht oder hypnotisiert wie ich war, also musste sich Sigfús ums Antworten kümmern. Er hat noch mehr von Mikroprozessoren, Deutschland und Zigeunermusik erzählt, und dann davon, wie es ihm in seiner neuen Wohnung geht, nachdem Harpa danach gefragt hatte. Sie schien immun gegen diese Stimme zu sein und konnte die Informationen aufnehmen und das Gespräch in Gang halten, während sie ihrem Onkel in die Augen sah, die mit einer schleimigen Flüssigkeit überzogen waren.
Harpa half mir aus dem Stuhl, als Sigfús auf einmal einnickte. Es dauerte, sich von allen ganz herzlich zu verabschieden und sich zu bedanken. Schwiegervater war mittig auf dem Dreimannsofa gestrandet und versuchte, sich die Aufnahmen des Abends auf dem Display des Fotoapparats anzugucken. All das Essen und Rotweintrinken hatten ihn in eine bedenkliche Schräglage gebracht.
Auf dem Heimweg haben wir über kaum etwas anderes als den Kuss geredet, den Kuss als solchen, den Vorgang des Küssens … Gleich als wir die Sackgasse verließen, meinte Harpa, dass für sie ein Kuss keineswegs ein zu billiges oder unbedeutendes Weihnachtsgeschenk sei, und nach einem kurzen Schweigen fragte sie: »Weißt du noch, weshalb wir uns geküsst haben, als wir zusammengekommen sind?« Die Frage führte zu einem Gespräch voller Erinnerungen, Liebesbeteuerungen und unterschiedlich langem Schweigen. Es ist weit von Hafnarfjörður bis ins Stadtzentrum, aber an diesem Abend war es nicht weit genug. Ich musste ununterbrochen an das Weihnachtsgeschenk denken und wollte meine Expedition von vor ein paar Tagen beichten.
Ich hatte klein angefangen, eine Duftkerze oder Badesalz im Sinn, etwas, das stellvertretend für mich »Ich liebe dich« sagt, wenn ich weg sein würde, aber als ich an all die unangetasteten Duftkerzen und das Salz in versiegelten Fässchen dachte, fand ich das völlig daneben. Dann habe ich überlegt, ihr ein Parfum zu schenken, allerdings nur ein paar Sekunden lang, weil Harpa mir gegenüber seit langem kein Parfum erwähnt und ich daher nicht die Erlaubnis hatte, ihr eins zu schenken, das würde ihr nur ungelegen kommen, weil sie nie einen unerwarteten Duft benutzen und er noch im Fläschchen kippen würde. Schnell bin ich in einem Handtaschen- und Koffergeschäft gelandet, sah mir dort kleine Etuis an, bis ich allmählich Taschen in die Hand nahm, und als ich angefangen hatte, mich über eine der teuren Designertaschen zu erkundigen, habe ich mich schnellstens verabschiedet und, einen Diamanten im Kopf, den nächsten Schmuckladen betreten, da das Geschenk ohnehin längst in dieser Preisklasse lag. Ich hatte schon ein paar Halsketten und Armbänder in Augenschein genommen, als mir bewusst wurde, dass ich Harpa wohl kaum Schmuck schenken kann, der nächste Schmuck müsste ein Ehering oder eine Morgengabe am Hochzeitstag sein, nachdem ich ihr schon in aller Form einen Verlobungsring überreicht habe – alles andere wäre eine ausweichende Verzögerung. Daher stand ich schließlich das dritte Jahr in Folge im Pelzladen. Vor zwei Jahren habe ich Harpa eine schicke Pelzmütze geschenkt, im letzten Jahr eine Pelerine aus Biberpelz, und ich habe ihr gegenüber einen schönen Pelzmantel fürs nächste Weihnachtspäckchen erwähnt, es sei nur folgerichtig, sich in dieser Hinsicht zu steigern, aber Harpa fand nichts Folgerichtiges an einem neuen Pelzmantel, sie ist zufrieden mit ihrer Kaninchenpelzjacke, die sie vor langem gebraucht gekauft hat. Ich machte sie auf die durchs Tragen blankgewetzten Stellen aufmerksam, aber Harpa meinte, dass das in Ordnung sei, weil sie so noch besser zu ihrer Lieblingshose passe. Daher weiß ich nicht, was im Pelzladen über mich gekommen ist – vielleicht waren es der Geruch oder all diese weichen Klamotten, die ich gestreichelt habe, während ich von klassischer Musik gestreichelt wurde, vielleicht all das, was mich an frühere Besuche erinnerte und die Zeit dazwischen auslöschte, ein Augenblick, buchstäblich ein Augenzwinkern, schließen und wieder öffnen, und nichts konnte mich daran hindern, mein Versprechen zu halten und einen richtigen Pelzmantel unter den Baum zu legen, vielleicht habe ich deshalb einen gekauft, den ich entdeckte und schon auf dem Kleiderbügel schön fand, aber geradezu großartig, wenn ich mir Harpa darin vorstellte.
An den Heimweg erinnere ich mich nicht, aber in dem Moment, als ich im Flur stand, bereute ich schon alles. Der Mantel lag in einer schönen Schachtel,
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