Bankster
Film? Er ist zweifellos derjenige, auf den der alte Mann gewartet hat. Per Handzeichen bestellt er zwei Getränke bei der hin- und hereilenden Kellnerin.
Ich wurde neugierig, daher beschloss ich, eine kleine Zigarre zu kaufen und sie draußen bei ihnen zu paffen. Das habe ich gemacht und mich in die Nähe des Tisches gestellt. Ich hatte natürlich kein Feuer, konnte aber das rote Feuerzeug eines Mannes benutzen, der mit wolligen Halbfingerhandschuhen eifrig am Computer arbeitete. Ich sah in den gefängnisartigen Hinterhof und hörte zu. Sie sprachen Französisch, so schien es mir, gegen den fröhlichen Lärm der Weißweinfreundinnen haben sie zu leise geredet, als dass ich sicher sein konnte. Eigentlich war ich es aber doch, und ihr Treffen schien mir gefühlsgeladen zu sein, jedenfalls für ein Treffen im Café. Manchmal hat sich der Jüngere über den Tisch gebeugt, etwas gesagt und den Kopf geschüttelt, so dass ihm eine rabenschwarze Strähne wie ein Flügel ins Gesicht fiel. Der alte Mann rauchte die ganze Zeit über im selben Takt, ab und zu griff er nach einem schlichten Gehstock, nur um ihn kurz darauf wieder an die Wand zu lehnen. Entweder ist er schon seit langem fußlahm, oder er hat den Stock von jemandem geerbt, der es war, denn der Lack am Griff war fast verschwunden und das helle Holz darunter ziemlich abgewetzt.
Ich ging zu ihrem Tisch, um die Zigarre auszumachen. Durch meinen Mangel an Übung stellte ich mich dabei ungeschickt an, und der Alte sah mich an, als hätte ich ihn gestört oder unterbrochen, in jedem Fall hörte er auf zu sprechen und zog die Augenbrauen so hoch, dass ich das Weiße in seinen Augen sehen konnte, das so gelb war wie ein Knochen, der lange außerhalb des Körpers gewesen ist, und machte dabei ein fragendes Gesicht.
Später
Harpa ist in letzter Zeit weniger zu Hause gewesen. Ich weiß schon, was das zu bedeuten hat, erkenne die Situation glasklar, weil sie ganz neu eingetreten ist.
Ich habe meinen Spaziergang nach und nach ausgedehnt. Jetzt könnte man ihn fast als Umherstreunen bezeichnen. Letzte Woche ist Harpa nur einmal vor mir nach Hause gekommen. Jetzt ist sie zu Besuch bei ihrer Schwester. Vor dem letzten Nachrichtenbeitrag und der Brennpunkt-Sendung habe ich mir ein leichtes Abendessen gemacht.
Das Schweigen spielt eine Hauptrolle, es ist sowohl Teil des Problems als auch der Konsequenzen – es ist nie so viel Schweigen zwischen uns gewesen, vor allem kein so unreines Schweigen. Die Quelle für Gesprächsthemen versiegt regelmäßig, und manchmal zwinge ich mich zu schweigen, scheint mir das Schweigen besser als das, was ich zu sagen hätte. Darüber habe ich auf dem Heimweg vom Café viel nachgedacht. Es war ungewöhnlich mild draußen, wahrscheinlich über dem Gefrierpunkt, und ich konnte langsam gehen. Mir kam in den Sinn, Harpa eine Lüge aufzutischen, um irgendetwas Interessantes erzählen zu können, irgendetwas Harmloses zu erlügen, konnte es mir aber nicht wirklich vorstellen, bis ich versuchen wollte, etwas für sie zu erdichten. Dichten ist ein harmloses Spiel, und ich beschloss, ihr zu erzählen, dass ich Hallgerður getroffen habe. Harpa hat sie sicher nicht mehr gesehen, seit sie ein Jahr vor uns aus dem Studentenwohnheim ausgezogen ist, zumindest habe ich sie seitdem nicht mehr gesehen und ich glaube, dass sie noch in Deutschland ist, in Berlin, um Philosophie zu studieren – nein, Quatsch, wohl nicht mehr nach fünf oder sechs Jahren, es sei denn, sie hat gleich ihren Doktor angefangen. Mir fällt jedenfalls nichts Besseres ein, und ich werde sagen, dass ich die Philosophin Hallgerður auf der Straße getroffen und ihr Angebot angenommen habe, mich mit ihr in ein Café zu setzen. Dort hat sie mir von verschiedenen Dingen erzählt, zum Beispiel von ihrer Promotion und ihrem sechzigjährigen Freund, einem zittrigen Komponisten, sie wohnen seit vier Jahren zusammen und sie ist über Weihnachten ins Land gekommen, um den Kontakt zur Familie nicht zu verlieren.
Wo haben sie sich kennengelernt? Harpa wird das wissen wollen. Ja, sie haben sich in der Straßenbahn kennengelernt. Hallgerður hat eine Wohnung in einem Berliner Vorort gemietet und ist an allen Werktagen, bis auf einen, mit der Bahn in die Innenstadt gefahren, um Seminare an der Uni zu besuchen. Gibt es in der Berliner Innenstadt eine Uni? Ja, bestimmt. Und Straßenbahnen? Sie haben sich jedenfalls im öffentlichen Nahverkehr getroffen, weil der Kerl, der Komponist, in einem alten und
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