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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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er sich festzukrallen, doch seine Fingernägel zerbrachen, als sie über den Stein hinwegkratzten, und haltlos wirbelte er hinaus.
    Zwei Stockwerke über dem Burghof überschlug er sich mehrmals in der Luft, wurde über Kopf und zur Seite geworfen, während die Menschen im Thronsaal erschrocken aufstöhnten.
    »Rorn!« Eine einsame Kehle rief sogar seinen Namen, und er glaubte Yakos Stimme zu erkennen.
    Instinktiv spannte er alle Muskeln an und versuchte sich gegen den brutalen Schmerz zu wappnen, mit dem ihm sicher gleich alle Knochen im Leib zerschmettert würden.
    Waagerecht in der Luft liegend, konnte er nicht nur über die Burgmauern hinwegsehen, sondern seltsamerweise auch über die ganze Stadt bis zur großen Brücke, die sich jenseits des Haupttors über die Uchte spannte. Dort war zu erkennen, wie weit der Bannkreis reichte, der Greifenstein vor der Invasion der geflügelten Streitmacht bewahrte. Bis zur Hälfte der Brücke war kein einziges Insekt auszumachen, dahinter wogten dunkle Schleier geballter Boshaftigkeit.
    Obwohl Rorn trotz der enormen Entfernung alles genau wahrzunehmen vermochte, als würde er sich direkt vor Ort befinden, waren von den dort drüben auf Einlass wartenden Bauern nur vage Umrisse zu erkennen, ausgefranste Schemen um sich schlagender Gestalten, die den bösartigen Attacken eines nicht greifbaren Gegners schutzlos ausgeliefert waren. Manchmal lichtete sich das Gewimmel weit genug, um das Geschehen dort beobachten zu können, aber dann schlossen sich die schwarzen Vorhänge wieder, wie um das grausame Leiden vor den Augen der Städter zu verbergen.
    Die Gespanne wurden ebenso wenig verschont wie die Menschen. Blind vor Schmerz gingen die Tiere durch. In ihrer Panik jagten sie oft am abschüssigen Ufer entlang, bis die Räder der wild hin- und herschleudernden Fuhrwerke über die Böschung rutschten und in die Tiefe kippten. Die Zugtiere unbarmherzig mit sich reißend, landeten die Karren im Wasser.
    Auch jene Ochsen, die sich bei dem Sturz keine Knochen brachen, versanken tief in Schilf und Schlick, sodass sie sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien konnten. Durch ihre Geschirre an die umgestürzten Wagen gefesselt, wurden sie zur leichten Beute. Aber auch jene, die auf die Wiesen und in die Felder flohen, konnten den über sie herfallenden Insekten nicht entkommen. Dichte Teppiche aus lebendem Geschmeiß bedeckten sie, wohin sie sich auch wandten.
    Sicherheit versprach nur eine Richtung – die, in der Greifenstein lag.
    Ein Händler, der gerade abgefertigt worden war, jagte wild auf seine Ochsen einschlagend über die hölzerne Brücke. Zwei Gardisten, die aus eigener Kraft nicht mehr laufen konnten, klammerten sich an dem flatternden Planenaufbau fest und wurden mitgeschleift. Während der Karren deutlich auszumachen war, versanken Mensch und Tier unter flirrendem Gewimmel, das jeden Daumenbreit ihrer Leiber bedeckte. Dadurch ähnelten sie eher grotesken, mit Stacheln gespickten Schatten, zumindest bis zu dem erlösenden Moment, da sie den Bannkreis erreichten.
    Die Ochsen waren die Ersten, deren Konturen sich in Kaskaden zerplatzender Glut verwandelten. Wie ein Elmsfeuer liefen die orangeroten Flammen an ihren Leibern entlang, vom Kopf an bis zu den Hinterläufen. Aus dem Nacken rieselten bereits Aschewolken, während sich das Geschmeiß noch am wild umherpeitschenden Schwanze gütlich tat. Mit jedem harten Sprung, mit dem die Tiere hämmernd über die Brücke setzten, fielen die Brandreste weiter von ihnen ab. Dampfendes Fleisch kam darunter zum Vorschein.
    Indem die Ochsen in den Bannkreis stürmten, entkamen sie den winzigen Mäulern der gefräßigen Biester, die sich zu Tausenden an sie geheftet hatten, doch damit war ihre Pein nicht beendet. Selbst über die weite Entfernung hinweg konnte Rorn erkennen, dass dort, wo ihre Augen in irrer Panik hätten glänzen sollen, nur noch zwei blutige Höhlen waren. Brutal geblendet, wie sie waren, kamen sie immer mehr von der Brückenmitte ab. Auch ihr Lenker sah längst nicht mehr, wohin er fuhr.
    So drifteten sie immer stärker zur Seite, bis der rechte Ochse als Erstes gegen die hölzerne Brüstung prallte. Einem solchen Ansturm aus vollem Lauf war selbst der stabilste Balken nicht gewachsen.
    Laut krachend barst die Brüstung. Die Ochsen versuchten noch instinktiv, sich gegen das Unvermeidliche zu stemmen, doch es war zu spät, der schwere Karren schob sie einfach vor sich her, haltlos glitten ihre Hufe über die Bohlen hinweg,

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