Bannkrieger
war das möglich? Das Zelt war doch viel zu klein, um sich darin zu verstecken! Verwundert schoben sie das Fell weiter zur Seite, bis sie das Lederbündel vor ihnen auf dem Boden bemerkten.
Eine leere, einteilige Hülle, die nicht nur aus Kopfmaske, Handschuhen und Beinlingen bestand, sondern den ganzen Körper umschloss, ohne dass ein Einstieg oder etwas Ähnliches zu erkennen gewesen wäre.
Alvin stockte der Atem, und auch Bornus keuchte vor Überraschung auf, denn es sah tatsächlich so aus, als hätte sich Zerbe gehäutet und wäre dabei mit seinem Körper durch Mund und Nase ins Freie gefahren.
Keiner von ihnen konnte sich erklären, wie das möglich sein sollte. Sie wagten aber auch nicht, das Zelt zu betreten und die Lederflickenhülle näher zu untersuchen.
»Wo ist der Kerl hin?«, flüsterte Bornus, obwohl es niemanden gab, der sie hören konnte.
»Keine Ahnung«, gestand Alvin, der unwillkürlich an die Laubweber denken musste, die in Zerbes Augenhöhlen verschwunden waren. »Vielleicht an den Ort, den die Zeit noch nie betreten hat, direkt bei dem EINEN, dem Götterkönig – dem Weltenschöpfer.«
In Rorns Dorf
Das Dorf war bereits zu vollem Leben erwacht, als Rorn und seine Begleiter nahten. Einige Frauen, die am Bachufer außerhalb der Holzpalisade Wäsche wuschen, sahen überrascht in die Höhe, aber da er an der Seite der Fremden ritt, fürchteten sie kein Unheil. Unter den Kindern, die ihre Mütter begleiteten, erhob sich dagegen großes Geschrei. Von Neugier und Übermut getrieben, rannten sie auf die vier Reiter zu, sprangen um sie herum und bestürmten sie mit Fragen. Der Lärm, den sie veranstalteten, lockte einige mit Äxten bewehrte Männer herbei, die zum Holzschlagen im angrenzenden Wald verschwunden waren.
»He, Rorn, hast du ein neues Pferd?«, wollte Hurni wissen, die aufgeregt an seiner Seite sprang.
Rorn ignorierte das vierjährige Mädchen ebenso wie die Fragen, die von allen Seiten auf ihn einprasselten. Er war einfach nicht in Plauderlaune.
Seine Stimmung hatte auch das Pferd nicht heben können, das Yako für ihn eingefangen hatte. Es hatte einem der toten Gardisten gehört, sie ritt das des anderen. Die beiden Tiere hatten sich ebenso durch ihre vertraute Stimme anlocken lassen wie Meas Rappe und Nispes Brauner. Die Pferde der gefallenen Feinde, die nicht im Nebel verschwunden waren, hatten sich dagegen in alle Winde zerstreut.
Da sich Rorn keine Antworten entlocken ließ, konzentrierte sich das Interesse der Kinder bald auf die Phaa. Kichernd und prustend stießen sie sich gegenseitig an und deuteten mit ausgestreckten Fingern auf ihr Stachelhaar. Als Yako daraufhin ihre spitzen Zähne bleckte, wichen die Kleinen kreischend zurück, bestürmten sie aber schon im nächsten Augenblick aus vollem Halse, die Zähne noch einmal zu zeigen.
Rorn schimpfte mit den Schreihälsen, denen es so sehr an Höflichkeit mangelte, aber Yako lachte nur gutmütig.
»Ist schon gut«, sagte sie zu ihm. »Das bin ich gewohnt.«
»Ermutige sie nicht noch«, entgegnete Rorn grummelnd, »sonst wirst du sie nie wieder los.«
Doch die Phaa behielt recht. Das grelle Geschrei legte sich, noch ehe sie den hüfttiefen Graben erreichten, der die Palisade umgab. Der alte Ebold, der das Tor bewachte, trat zur Seite, als sie über den Erdsteg ins Dorf ritten.
Die Hunde vor ihren Hütten und die Gänse in den Ställen stimmten längst in das Kindergeschrei mit ein, und so legten überall die Männer und Frauen ihr Arbeitswerkzeug nieder, wischten sich die Hände sauber und strömten zusammen, um die Ursache des Spektakels zu ergründen. Da sich eine Erklärung des Besuches ohnehin nicht vermeiden ließ, ritten die vier auf den Marktplatz, in dessen Zentrum die große Zisterne stand, die das Dorf bei Angriffen oder Belagerungen vom nahen Bach unabhängig machte. Ein aus Feldsteinen gemauerter und mit Eichenbohlen abgedeckter Kanal sorgte für den nötigen Zulauf.
Viele Männer trugen ihr Schwert am Gürtel, als sie auf dem Platz eintrafen, doch keiner von ihnen zog blank oder gab sich sonst irgendwie feindselig. In den Gesichtern der Menschen zeichnete sich vor allem Neugier ab, gepaart mit der Freude darüber, dass etwas Ungewöhnliches geschah, das ein wenig Abwechslung in ihren eintönigen Alltag brachte. Rorns Eltern bildeten die einzige Ausnahme. In ihren Mienen war der übliche Was-hat-der-Bengel-jetzt-schon-wieder-angestellt -Ausdruck zu sehen.
Neele erschrak dagegen über die vielen
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