Bannkrieger
viele Götter, etwa den heiligen Amboss, den Schutzheiligen aller Schmiede, und er wusste natürlich, dass der oberste aller Götter der EINE, der Weltenschöpfer war, doch von einem Weltenzehrer hatte er noch nie gehört.
»Der Weltenzehrer ist mehr als nur ein einfacher Dämon«, erklärte Hatra mit düsterer Stimme. »Er ist die eine, die große und gesichtslose Macht, die dem Weltenschöpfer gegenübersteht. Dazu musst du wissen, dass jedes Ding auf Erden seinen Schatten wirft. Nicht nur jeder Mensch und jeder Baum, sondern auch die Götter. Und je stärker ein Gott ist, desto tiefer und fester umrissen ist der Schatten, der in seinem Rücken entsteht.«
Rorn verstand nicht einmal die Hälfte von dem, was die Hexe da erzählte. Da ihm der Kopf aber ohnehin schon schwirrte, hütete er sich davor, sie um weitere Erklärungen zu bitten. Zum Glück bemerkte Hatra seine Verwirrung nicht, sondern wandte sich erneut dem Flickenhandschuh zu.
Sie wühlte in ihrem Korb einige Kräuter zur Seite und zog einen frisch geschnittenen Weißdornstecken hervor. Mit seiner Spitze tippte sie Zerbes Handschuh vorsichtig an, ohne dass etwas passierte. Zufrieden mit diesem Ergebnis, schob sie den Stock in die große Lederöffnung und rührte damit im Inneren herum. Diesmal geschah etwas.
Leichter Brandgeruch erfüllte die Luft.
Gleich darauf stieg ein feiner Rauchfaden aus dem Handschuh auf.
Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, zog Hatra den Weißdorn zurück. Um seine leicht angekohlte Spitze schlängelte sich eine tiefschwarze Masse, in der irgendetwas wimmelte. Etwas Kleines, Garstiges, absolut Widerwärtiges, das sich aus dem formlosen Klumpen zu lösen versuchte, aber immer wieder ins Innere zurückgezogen wurde. So musste es aussehen, wenn Leichenkäfer unter der Haut eines Toten entlangkrabbelten.
Durch und durch verrotteter Schleim, mehr war von Zerbes Hand nicht geblieben. Ob wohl der ganze Körper, den er unter seiner Flickenlederhaut verbarg, so aussah? Oder hatte sich seine Hand erst durch die Berührung des magischen Geschmeides derart verwandelt?
Schaudernd verfolgte Rorn, wie die Hexe das widerliche Gewimmel eine Zeitlang interessiert beobachtete, bevor sie eine kleine Kürbisflasche, die sie am Gürtel trug, über Kopf ausleerte, um ein Gefäß für die ölig glänzende Masse zu haben, die einst Zerbes Hand gewesen war. Dieses Schattengespinst schien ein Eigenleben zu führen, denn es teilte sich mehrmals über der Trinköffnung und floss an den Außenseiten herab, bevor es Hatra mithilfe des halbverkohlten Weißdornsteckens doch noch gelang, das wabernde Etwas ins Innere zu befördern. Erst nachdem der Kürbishals verkorkt war, atmete sie leise auf.
»Was willst du mit diesem … mit den Überresten von Zerbes Hand anfangen?«, stammelte Rorn angewidert, als sie die Trinkflasche wieder an ihrem Gürtel befestigte.
»Im Sumpf versenken«, antwortete Hatra, während sie den Flickenhandschuh mit spitzen Fingern aufnahm und rasch in den Kräuterkorb warf. »Damit kein Unheil mehr davon ausgehen kann. Du kannst es nicht spüren, weil dir die Sinne dafür fehlen, aber dieser Kadaver hat immer noch eine starke Aura.«
Das konnte sich Rorn lebhaft vorstellen, denn auch ohne die Fähigkeiten eines Hexers standen ihm die Nackenhaare zu Berge. Er war wirklich heilfroh, dass Hatra ihm und den seinen so wohlwollend zur Seite stand.
»Willst du uns ins Dorf begleiten?«, fragte er, ihr erneut den Arm anbietend. »Du siehst aus, als könntest du Ruhe und eine kräftige Mahlzeit vertragen.«
Hatra verkniff die Augen zu schmalen Schlitzen und bedachte ihn mit einem giftigen Blick. »Du glaubst wohl, ich bin zu schwach, um auf mich selbst aufzupassen?«, fragte sie grollend, verzog ihre faltigen Lippen aber zu einem breiten Lächeln, als Rorn erschrocken vor ihr zurückwich.
»Danke für das freundliche Angebot«, sagte sie beschwichtigend. »Aber für heute hatte ich genügend Trubel, und ich finde in meiner eigenen Kate alles, was ich brauche. Deine neuen Freunde hingegen könnten sicherlich einen Happen vertragen.«
»Meine neuen Freunde?« Rorn sah missmutig zum Rand der Lichtung hinüber, zu der großen Eiche, an der die Jadeträgerin mit dem Rücken lehnte, während Nispe ihr Luft zufächerte; Yako war offenbar davongeeilt, um die Pferde einzufangen. »Ich wollte, ich wäre diesem hochwohlgeborenen Pack niemals begegnet.«
Hatra antwortete nicht auf seine bitteren Worte, und als er sich wieder zu ihr umwandte,
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