Bannkrieger
hindurchsickerte. Was machte es schon, wenn er dabei in feindliche Klingen lief, nun, da die Welt, wie er sie kannte, vollständig zerstört war.
Die stählernen Spitzen, die ihn durchbohren sollten, waren bereits zum Stoß erhoben, als ein grelles, durch alle Knochen gehendes Kreischen die Lederhäuter mitten in der Bewegung erstarren ließ.
Der zirpende Klagelaut marterte auch Rorns Trommelfelle, trotzdem zwängte er sich zwischen seine Gegner hindurch, die vor Überraschung völlig gelähmt waren, und stürmte auf die Esse zu. Endlich war die Sicht auf den sich vor Schmerzen windenden Anführer frei. Er war es, der den Klagelaut ausstieß. Wie er sich so vor Schmerzen wand, erinnerte er Rorn an Zerbe, als dieser Meas Geschmeide hatte stehlen wollen.
Dabei hütete sich der Mantelträger wohlweislich davor, den eingefassten Jadestein direkt anzufassen. Offenbar wusste er um die Gefahr, die davon für Kreaturen seines Schlages ausging, und hatte deshalb nur nach Neeles abgetrennten Fingern gegriffen. Obwohl er die unmittelbare Berührung vermied, bereitete ihm allein schon die Nähe des Rings körperliche Schmerzen.
Vermutlich wäre es aus seiner Sicht klüger gewesen, Neele die ganze Hand oder den Unterarm abzuhacken, um einen größeren Abstand halten zu können.
So gab er einem seiner Schergen den lautlosen Befehl, einen Lumpen auf der steinernen Esse auszubreiten, damit er die Finger darauf ablegen konnte. Ehe er jedoch dazu kam, den Lappen zu einem Bündel zusammenzuschlagen, das sich gefahrlos tragen ließ, war Rorn heran.
Der Anführer fuhr so heftig herum, dass sich sein Mantel aufblähte. Hastig riss er sein Schwert empor, bereit, eine wilde Attacke abzuwehren, doch er irrte, als er annahm, dass Rorn ihn mit der Klinge durchbohren wollte.
In diesem Moment hatte der junge Schmied nur Augen für die schimmernde Schattenjade, die so viel Unglück über ihn und das Dorf gebracht hatte. Innerhalb eines einzigen Wimpernschlags wirbelten ihm Myriaden von Gedanken durch den Kopf – fast alle von ihnen beschäftigten sich damit, dass er es von Anfang an hätte wissen müssen. Alles war genauso wie bei Zerbe und Mea verlaufen. Die verdammten Lederhäuter verfolgten nur ein einziges Ziel: Sie wollten mit aller Macht die Schattenjade in ihren Besitz bringen, die sie selbst über große Distanzen besser zu wittern vermochten als Bluthunde, die einer Schweißspur folgen.
Der verfluchte Ring – hätte Rorn ihn doch bloß nie im Gestrüpp gefunden! Den vermeintlich wertvollen Schmuck der ahnungslosen Neele an den Finger zu stecken, hatte ihr und den anderen des Dorfes den Tod gebracht!
Von Scham und Selbstvorwürfen zerfressen, schlug Rorn blindlings zu, ohne weiter nachzudenken. Bevor er sterben würde, gab es bloß noch eins, was er tun wollte: den unglückseligen Ring zerstören! Mit aller Kraft ausholend, ließ er die rot glühende Schwertschneide auf den eingefassten Stein niedergehen.
Der Mantelträger versuchte noch, ihm in den Arm zu fallen, doch es war zu spät. Die glühende Schwertschneide traf mit solcher Wucht auf die anvisierte Stelle, dass die Schattenjade auseinanderplatzte. Rorn erreichte, was er wollte, und noch wesentlich mehr: Im gleichen Moment, da der Stein zerbrach, gleißte ein grelles Licht auf, das die ganze Schmiede erfüllte. Rorns Augen begannen zu tränen. Von einem Atemzug auf den anderen war er so sehr geblendet, dass er nur noch spüren konnte, was weiterhin geschah.
Die gespeicherte Magie! , entfuhr es ihm voller Entsetzen. Ich habe sie auf einen Schlag freigesetzt!
Obwohl er nicht richtig begriff, was gerade passierte, wusste er doch instinktiv, dass er einen gewaltigen Bannzauber entfesselt hatte. Flirrende Hitze wallte ihm wie eine weiche Wand entgegen, gleich darauf wurde er von einer ungeheuren Kraft gepackt und durch die Luft geschleudert. Irgendetwas zerrte an seinem Schwert und wand es ihm aus der Hand. Um ihn herum knisterte und knackte es laut unter den Lederhüllen der Flickenhäuter.
Kurz bevor er mit dem Rücken aufprallte, klärte sich seine Sicht. Er erblickte sein Schwert, das oberhalb des Schmiedefeuers inmitten eines pulsierenden Lichtballs schwebte, während alles andere zu vereisen begann. Rorn wusste selbst nicht, woher die Erkenntnis kam, doch er spürte genau, dass er gerade Zeuge eines ungeheuerlichen Vorgangs wurde.
Etwas Neues wurde geboren.
Eine Klinge, im Bannfeuer geschmiedet und in magischem Frost gehärtet.
Ehe er diesen instinktiven Gedanken
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