Bannkrieger
entstand, gerade breit genug, um das Ungeziefer ins Freie zu entlassen. Andere Schwärme entkamen durch Ritzen und Fensterläden, ein ganz kleiner Teil wählte den Weg durch den Rauchfang.
Innerhalb kürzester Zeit klärte sich die Luft wieder, doch die Dörfler hatten einen hohen Blutzoll in diesem Scharmützel zahlen müssen. Nicht nur Torson lag in seinem Blute, auch Ebold wand sich in den letzten Zuckungen. Ob er wegen der klaffenden Wunden starb, die seinen Körper bedeckten, oder weil irgendetwas in seiner anschwellenden Kehle steckte, hätte niemand zu sagen gewusst.
Auf jeden Fall war es zu spät, um noch irgendwie zu helfen. Ein letztes Röcheln, dann entspannte sich der von Krämpfen geschüttelte Körper für alle Zeiten. Gosar, der Ebolds Oberkörper mit beiden Armen umklammerte, konnte nichts weiter tun, als den Tod des Vaters zu betrauern.
Bis zu diesem Moment hätte Rorn niemals für möglich gehalten, dass er einmal so viel Mitleid für seinen Nebenbuhler empfinden könnte. Aber was bedeuteten schon ihre kleinlichen Zwistigkeiten angesichts des um sie herum tobenden Grauens?
»Bringt noch einmal alle Waffen zum Glühen!«, verlangte Vorg, während er zum Tor ging, um nach draußen zu spähen. »Es hat keinen Zweck, sich hier zu verbergen. Wir müssen uns den Weg in die Wälder freikämpfen, sonst sind wir verloren.«
Niemand von ihnen verspürte das Verlangen, die trügerische Sicherheit der Schmiede gegen das draußen wartende Schlachtfeld einzutauschen, doch alle wussten, dass der erfahrene Vorg recht hatte, besonders Rorn, sein Sohn.
»Lasst uns über die geheimen Pfade in die Sümpfe fliehen«, stimmte er dem Vater zu. »Auf dem Weg zu Hatra konnte ich meine Verfolger abschütteln, bestimmt wird uns das auch gemeinsam gelingen.«
Er konnte erkennen, wie die anderen Mut aus seinen Worten schöpften. Eine Hoffnung, die er selbst in keiner Weise verspürte. Deshalb verschwieg er auch, dass ihm die Sumpfhexe jede weitere Hilfe verweigert hatte.
Während er die schwelende Lederhülle von der Esse entfernte, nahm Neele die Schwerter von Gosar und Ebold an sich und stieß sie tief in den dunkelroten Kohlenhaufen. Erst als sie den Blasebalg zu treten begann, um die Glut neu anzufachen, sah Rorn einen ihm wohlbekannten Griff aus dem Schmiedefeuer ragen. Kein Zweifel, dies war die Waffe, die er Yako geschenkt hatte und die von der Phaa verschmäht worden war.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Neele, als sie seinen Blick bemerkte. »Ich weiß, wie lange du an der Klinge gearbeitet hast, aber dein Vater meinte, wir sollten alles verwenden, was greifbar ist. Und da ich wusste, dass du sie in der Truhe neben der Futterkiste aufbewahrst, habe ich …« Sie verstummte betreten, als wäre ihr ein schlimmer Fehler unterlaufen.
Rorn rang sich ein Lächeln ab. »Schon gut«, sagte er so sanft wie möglich. »Du hast vollkommen richtig gehandelt.«
Neele hielt einen Moment inne und sah ihn dankbar an, obwohl ihr Vater nur wenige Schritte entfernt tot in seinem eigenen Blute lag. Vermutlich war das ihre Art, mit dem erlebten Schrecken umzugehen, sich einfach irgendeiner Belanglosigkeit zu widmen, um nicht über ihre verzweifelte Lage nachdenken zu müssen. Rorn überlegte, ob er ihr trotzdem einige Fragen stellen konnte. Er hätte gern gewusst, was in seiner Abwesenheit im Dorf geschehen war, doch noch ehe er seiner Neugier nachgeben konnte, drang ein reißendes Geräusch an sein Ohr. Gleichzeitig spürte er einen Luftzug, der von den Torflügeln aus zu ihm herüberstrich.
Rorn ahnte, was geschehen war, noch ehe er den Kopf wandte. Trotzdem traf es ihn wie ein Tritt in die Magengrube, als er das Haupt seines Vaters in die Tiefe fallen, hart aufprallen und über den mit Stroh bedeckten Boden rollen sah.
Der kopflose Torso stand weiterhin aufrecht. Blut sprudelte aus den gekappten Schlagadern, trotzdem war deutlich zu sehen, wie glatt und sauber der Schnitt verlief, der Vorgs Hals durchtrennt hatte.
Hinter dem stehenden Leichnam zeichneten sich die Umrisse von Lederhäutern ab, die sich, verrußt und angesengt wie sie waren, wie ein Ei dem anderen glichen. Nur der Vorderste von ihnen, der den Streich geführt hatte, unterschied sich deutlich von den übrigen. Er musste der Anführer der Meute sein, denn er trug einen bis zum Boden reichenden Kapuzenmantel, der ihm eine irgendwie dunkle, aber zugleich auch majestätisch wirkende Aura verlieh. Und dies, obwohl das weiche Leder zu den Schößen hin
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