Bannkrieger
gleißenden Nebelstränge sehen, die ihren Brustkörben entstiegen und sich wild umherpeitschend in die Höhe wanden.
Unter der gemauerten Deckenwölbung strömten die schimmernden Konturen zusammen, schlängelten über- und untereinander hinweg und bildeten ein pulsierendes Geflecht, bevor sie sich zu einer dicken Säule verbanden, die senkrecht in die Tiefe führte, direkt in einen taubeneigroßen Stein hinein, der auf einem hellblauen Samtkissen lag. Dieses wiederum ruhte auf der flachen Spitze eines stufenförmig ansteigenden Altars.
Auch wenn der abfallende Strang ausfranste und die einzelnen Fasern wie kleine Blitze über die glänzende Oberfläche tanzten, am Ende absorbierte die Schattenjade alle magischen Energien, saugte sie auf wie ein trockener Schwamm, der mit Wasser beträufelt wurde.
Die Kraft Dutzender Magier, gesammelt in Hunderten solcher Zeremonien, vereint in einem einzigen Jadestein. Das war das Geheimnis der Jadepriester, die unerschöpfliche Quelle ihrer Macht und die Grundlage der sagenumwobenen Bannzauber.
Yako konnte gerade noch sehen, wie einigen Priestern vorsichtig Flüssigkeit eingeflößt wurde, ohne dass sie aus ihrer Trance erwachten – ihnen wurden einfach die Schalen an die Lippen gesetzt, den Rest erledigte ihr Überlebensinstinkt –, dann wurden die beiden Türen auch schon wieder geschlossen. Der Anblick der geheimen Beschwörung verschwand dabei ebenso hinter den dicken Kellermauern wie der mit ihr verbundene Gesang, der auf ein undeutliches Murmeln herabgedämmt wurde.
»Nispe versteht durchaus, die Phiolen mit dem flüssigen Feuer zu schleudern«, sagte Yako in die einsetzende Stille hinein. »Und er trifft sehr gut mit ihnen.«
Trotz der langen Pause in ihrem Gespräch wusste der Großmeister sofort, worauf sie hinauswollte. »Treib es nicht zu weit«, warnte er, während er das Leinentuch, mit dem er seine Hände gereinigt hatte, achtlos zur Seite warf.
Die Phaa zuckte ergeben mit den Schultern. Sie hatte alles versucht, was ihr möglich war, mehr konnte sie nicht für Mea tun.
»Ist der Verlust eines einzelnen Rings denn wirklich so schlimm?«, fragte sie, den Blick vielsagend auf den Beschwörungsraum gerichtet; die Schattenjade, die dort drinnen angefertigt wurde, war weitaus größer und mächtiger als die, die unbemerkt verschwunden war. »Meas Geschmeide besteht doch aus so vielen Steinen.«
»Es geht weniger um das, was wir verloren haben, als um das, was unsere Feinde dabei gewinnen können«, erklärte Ruppel geduldig. »Keine Magie kommt der anderen gleich, doch wenn eines unserer Amulette in falsche Hände gerät, könnten sich diese Elemente unserer Kräfte für ihre eigenen Zwecke bedienen. Die Steine sind zwar vor fremder Magie geschützt, doch so, wie es für jeden Schöpfer einen Zehrer gibt, gibt es auch für jeden Bann einen Gegenzauber. Falls es unserem Feind aber gelingt, unsere Kräfte zu pervertieren und gegen uns zu richten, kann es für das ganze Land gefährlich werden.«
Der Großmeister und die Leibwächterin standen sich näher, als die meisten Greifensteiner ahnten, doch derart niedergeschlagen hatte Yako den Hohepriester nie zuvor erlebt. Nachdem er ausgesprochen hatte, kniff er sogar die Augen zusammen und rieb sich die unter den Lidern liegenden Augäpfel mit Daumen und Zeigefinger.
»Natürlich dürfest du das alles gar nicht wissen«, sagte er. »Aber da ich deine … «, er nahm die Hand aus dem Gesicht und sah sie durchdringend an, »… kleinen Bedürfnisse kenne, weiß ich ja, dass ich mich auf deine Verschwiegenheit verlassen kann.«
Yako spürte heiße Flammenzungen über ihre Wangen streichen. Sie errötete nur selten, aber wenn es geschah, gab es nichts, was sie dagegen tun konnte. Mühsam unterdrückte sie den nervösen Wunsch, ihre Zähne zu blecken. Sie wusste, dass ihr das und anderen Vertretern ihres Volkes eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Nagetier verlieh.
»Keine Freundschaft könnte so starke Bande knüpfen, wie sie zwischen uns beiden bestehen«, zischte sie leise.
Ruppel nickte ihr wohlwollend zu, als hätte sie etwas Freundliches gesagt.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte Yako ungeduldig. »Der Gewaltritt der vergangenen Tage hat auch an meinen Kräften gezehrt.«
Sie sagte die Wahrheit. Ihre Pferde waren mehrmals gewechselt worden, dadurch hatten sie beinahe Tag und Nacht im Sattel gesessen. Sie wollte sich nur noch ihrer stinkenden Kleidung entledigen und sich unter einem Stapel weißen Leinens
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