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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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verkriechen. Zur Not hätte es auch ein vermoderter Laubhaufen getan.
    »Gleich«, versprach der Großmeister. »Zuvor gibt es aber etwas, das du wissen solltest. Euer Unglück ist nur ein kleiner, wenn auch gewichtiger Teil einer weitaus größeren Katastrophe. Unsere Jagdfalken bringen aus allen Himmelsrichtungen schlechte Kunde. Die iskandischen Hunde fallen auf breiter Front über Baros her, und selbst aus Thyrm und Nekal wird Aufruhr gemeldet. Der Angriff auf die Jadeträgerin war keine Verzweiflungstat einer Handvoll Aufrührer, nein, hier sind weitaus größere Mächte am Werk, die sich im Moment noch nicht richtig einschätzen lassen.«
    Yako verschlug es angesichts dieser Offenbarung glatt die Sprache. Plötzlich wurde ihr klar, warum sie der Großmeister in die Abgeschiedenheit des geheimen Refugiums geführt hatte, denn nur hier, hinter den undurchdringlichen Kellergewölben, die jeden Laut verschluckten, konnte er vollkommen sicher sein, dass kein unbefugtes Ohr sie belauschte.
    Aber da war noch mehr, als Ruppel offen aussprach. Trotz des diffusen Lichts sah die Phaa ein feines Netz kleiner Schweißperlen auf seiner Stirn glitzern. Der Großmeister war nicht einfach nur beunruhigt, wie er vorgab, nein, er hatte richtiggehend Angst. Fast so, als ob er ganz genau wüsste, mit was für einem Gegner sie es zu tun hatten. Einem gefährlichen Feind, der sich weder durch die Jadeträgerin noch den Schwingenschild bannen ließ.
    »Es wird noch einige Tage dauern, bis das Volk von Greifenstein das ganze Ausmaß der Bedrohung begreift«, fuhr Ruppel fort, ohne etwas von ihren Vermutungen zu ahnen. »Doch für uns alle – und ganz besonders für dich – gilt ab sofort, im höchsten Maße wachsam zu sein. Die Jadeträgerin schwebt in Gefahr. Der Flickenhäuter wird bestimmt noch einmal versuchen, ihrer habhaft zu werden. Und wir wissen nicht, ob ihn der Schwingenschild allein davon abhalten kann.«
    Die Phaa fühlte sich, als hätte ihr eine unsichtbare Riesenhand den Boden unter den Füßen weggezogen und alles um sie herum auf den Kopf gestellt. Die Unbezwingbarkeit des Schwingenschilds war für sie bisher ein fester Rückhalt gewesen, auf den sie sich hatte verlassen können. Dass seine allgegenwärtige Macht angezweifelt wurde, erschütterte ihr bisheriges Weltbild bis in die Grundfesten.
    »Aber wieso?«, begehrte sie auf.
    Ihr lagen tausend Fragen auf der Zunge, doch Ruppel winkte nur ab und deutete auf die Priester mit den leeren Servierbrettern, die aus dem Beschwörungsraum zurückkehrten. Stimmte das wirklich, was er mit dieser Geste andeutete? Dass selbst innerhalb der Priesterschaft nur Eingeweihte von den dunklen Wolken wussten, die sich über Dagomars Reich zusammenballten? Oder wollte er Yako nur abwimmeln, bevor sie unangenehme Fragen stellen konnte? Letztlich war das aber völlig egal, denn die Worte und Gesten, mit denen er sie verabschiedete, waren unmissverständlich. Danach blieb der Phaa nichts anderes übrig, als sich respektvoll zurückzuziehen.
     
    Wie betäubt stieg sie die Treppe empor und irrte einige Zeit die zwischen den Burgmauern verlaufenden Geheimgänge entlang. Ihre Füße führten sie dabei unbewusst zu einer der kleinen Beobachtungsnischen, die dann und wann in die Gänge eingelassen waren.
    Einmal dort angekommen, konnte Yako der Versuchung nicht widerstehen. Rasch stieg sie auf das zwischen dem engen Spalt eingelassene Podest und entriegelte ein daumennagelgroßes Plättchen, das sich lautlos zur Seite schieben ließ. Dadurch entstand eine ovale Öffnung, an die sie rasch das rechte Auge presste.
    Ihr Blick fiel durch das Guckloch in einen Schlafraum. Trotz der festen Tücher, die vor den Fenstern hingen, wurde das Licht der Sonne nicht ganz ausgesperrt. Nachdem sich das Auge der Phaa an die Sichtverhältnisse gewöhnt hatte, zeichnete sich das Bett der Jadeträgerin deutlich vor ihr ab.
    Mea und Nispe lagen gemeinsam darin. Von blütenweißen Leinen bedeckt, aber unübersehbar nackt und unkeusch aneinandergedrängt. Die viel beschworene Jungfräulichkeit der Jadeträgerin war schon vor langer Zeit verloren gegangen.
    Statt der erhofften Lust spürte Yako beim Anblick des aneinandergeschmiegten Paares eine Mischung aus Wehmut und Neid in sich aufsteigen. Unwillkürlich kam ihr wieder das Gesicht des jungen Moorbauern in den Sinn, der ihr ein selbst geschmiedetes Schwert geschenkt hatte, wie es bei den Phaa zur Brautwerbung üblich war. Natürlich hatte er nicht gewusst, was

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