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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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zu den Übrigen mit raumgreifenden Schritten.
    Zu spät! Um die vorderen beiden noch aufzuhalten, hätte er sie schon mit Grimmschnitter von den Beinen holen müssen. Aber der Krieger spürte ohnehin keinen Drang, sich mit zappelnden Rotzlöffeln herumzuärgern. Ihm genügte es, dem Nachzügler den Weg zu vertreten, der beim Anblick der blanken Klinge vor Angst erstarrte.
    Er war der Kleinste der Bande, vielleicht gerade vierzehn Sommer alt. Struppiges rostrotes Haar umrahmte ein Gesicht, das dringend eines feuchten Lappens und einer zarten Mutterhand bedurfte. So, wie er seinen Kopf zwischen den Schultern einzog, hatte er jedoch ein Leben lang mehr Schläge als Liebe erfahren.
    »Nur die Ruhe, Feuerkopf!«, brummte Rorn so freundlich, wie er vermochte. »Den Letzten beißen die Hunde, so ist das nun mal.«
    Die Kameraden des Kleinen waren der gleichen Meinung. Nicht einer von ihnen verlangsamte den Schritt. Alle sahen zu, dass sie möglichst schnell mit der Beute davonkamen. Obwohl sie durchweg älter und größer als der Rothaarige waren, fühlten sie sich nicht verantwortlich für ihn. Im Gegenteil. Es schien viel mehr, als wären sie losgerannt, ohne ihm ein Signal zu geben, damit er in die Fänge des Fremden geriet und ihnen so einen Vorsprung verschaffte.
    Dass der Kleine keinen Sack besaß, sondern seine Beute mit beiden Händen an den zitternden Leib pressen musste, bekräftigte diesen Verdacht.
    Rorn senkte die Klinge. »In der Rumpelkammer gab es wohl kein Fenster, durch das ihr verschwinden konntet?«
    Der Kleine nickte verschüchtert.
    Sein Hemd und die Hose waren mit Flicken übersät. Knapp oberhalb des Herzens trug er grünen Klee, dessen mit Kletten übersäte Blätter von alleine am Hemd anhafteten. Der einfache Schmuck eines Habenichtses. Wer wollte schon einem wie ihm böse sein, wenn er etwas an sich nahm, das ihm herrenlos erschien?
    Draußen stampfte der Grauschimmel mit den Hufen auf und wieherte schrill. Gleich darauf wurden Flüche und schmerzerfüllte Schreie laut. Das Tier war gut abgerichtet. Es wehrte sich, sobald ein Fremder in den Sattel zu steigen versuchte.
    »Lasst die Hände von meinem Pferd!«, brüllte Rorn über die Schulter hinweg. »Oder ich komme raus und mache euch alle einen Kopf kürzer!«
    Die Drohung zeigte umgehend Wirkung. Sich rasch entfernende Schritte erklangen, der Schimmel beruhigte sich.
    Als Rorn wieder nach vorne sah, presste der verbliebene Junge das gestohlene Buch noch fester an seinen Leib und starrte wie gebannt auf Grimmschnitter.
    »Wir haben nichts Böses getan«, versicherte er mit bebender Stimme. »Der Mann da drüben war schon tot, als wir durch die offenen Türen kamen.«
    Rasch streckte Rorn sein Schwert zurück. »Das mit dem Kopf abschlagen habe ich nur gesagt, um deinen Freunden Angst einzujagen«, erklärte er dabei.
    Der Junge entspannte sich etwas, wenn auch nur ein wenig. Seine Augen wanderten weiter unruhig umher, vergeblich nach einer Fluchtmöglichkeit suchend. Doch wohin er sich auch wandte, Rorn brauchte nur einen langen Schritt nach vorne zu machen, um ihn mit beiden Armen zu umklammern. Als er die Aussichtslosigkeit seiner Lage endlich einsah, ergab sich der Junge seinem Schicksal.
    Zumindest äußerlich.
    »Wie heißt Euer Pferd?«, wollte er plötzlich wissen.
    »Einfach nur Pferd«, brummte Rorn. »Oder Schimmel.«
    »Es hat keinen Namen?« Der Junge schniefte, weil es aus seinen Nasenlöchern tropfte. »Warum nicht? Alle Reiter geben ihrem Pferd einen Namen!«
    »Nur Dummköpfe machen so etwas«, behauptete Rorn. »Das Streitross eines Kriegers kann jederzeit im Gefecht sterben, sich einen Vorderlauf brechen oder durch eine Niederlage verloren gehen. Trägt es dann einen Namen, fällt dem Reiter der Abschied nur unnötig schwer.«
    »Ich heiße Gerwin«, erklärte der Junge eilig.
    »Verdammt«, knurrte Rorn in gespielter Verärgerung. »Jetzt, wo ich deinen Namen weiß, kommen mir bestimmt die Tränen, wenn ich dich erschlagen muss.«
    Gerwin krauste einen Augenblick die Stirn, dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Nein, Ihr tötet mich nicht, das bringt Ihr nicht fertig.« Möglicherweise war es mehr Wunschdenken denn echte Überzeugung, die er da verkündete, trotzdem hörte er zu zittern auf.
    »Allzu viel Beute habt ihr ja nicht gemacht«, stellte Rorn fest.
    »Nein«, antwortete der Junge traurig. »Das meiste im Haus ist kaputt. Und alles, was sonst noch heil aussah, haben die anderen eingesteckt.« Dem unversehrt

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