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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Wirklichkeit stieß der Greis an die Grenzen seiner körperlichen Belastbarkeit. Hatra machte hingegen unermüdlich weiter, als wollte sie beweisen, dass sie in jeder Hinsicht mit den Greifen mithalten konnte. Ihr offenes Haar flatterte im Wind, wenn sie mit atemberaubender Geschwindigkeit zurück in die Tiefe rauschte und erst kurz vor einem vermeintlichen Aufschlag so langsam wurde, dass ihre Sohlen sanft und ohne den geringsten Laut im Gras aufsetzten. Bei den Gryff löste ihr Imponiergehabe wahre Begeisterungsstürme aus, doch ihre herausfordernden Blicke galten einzig und allein Eonis, was nicht nur er, sondern auch seine Favoritin bemerkte.
    »Wenn sie noch länger eine solche Dreistigkeit an den Tag legt, wird sie meine Krallen kennen lernen!«, drohte Kimue mit leisem Knurren in der Stimme.
    »Achte nicht auf das Schlangenauge«, wehrte Eonis ab. »Onra brennt, und die Paläste von Myandor werden als Nächstes in Flammen aufgehen, falls wir heute versagen!«
    Kimue fletschte die Zähne. Vor aller Augen, in aller Öffentlichkeit. Ein weithin sichtbares Zeichen ihrer Unzufriedenheit. Zwei wartende Gryff, die sie auf ihre Rücken hieven mussten, hinderten sie zum Glück daran, den Disput fortzusetzen.
    Oben, am rundum laufenden Wehrgang, wartete schon Perac auf sie.
    »Das sind genug«, beschied er ihnen. »Vermutlich schon mehr, als wir für die erste Angriffswelle brauchen.«
    Eonis war froh, sich keine Gryff mehr aufladen zu müssen. Ihre Federn waren ihm ebenso zuwider wie der säuerliche Geruch, der ihren Schnäbeln entströmte. Trotz der Kapuzenmäntel, die sie als Rüstung trugen, war er immer wieder mit ihrem Gefieder in Berührung gekommen. Zu allem Überfluss kitzelte ihn auch noch weißer Flaum im Mundwinkel.
    »Endlich«, knurrte er verstimmt. »Es wird höchste Zeit, zum Gegenschlag auszuholen.«
    Der Himmel über Onra war längst schwarz vor Rauch. Die mächtigen Palisaden und die traditionellen Langhütten, die die Siedlungen im Grenzgebiet zur Nordermark kennzeichneten, mussten bereits bis auf die Grundmauern abgebrannt sein. Leiser Trompetenhall wehte mit dem Wind herüber. Das verdammte Lärmen der elenden Zyklopen!
    Krieg erforderte Opfer, diese Erkenntnis war nichts Neues für Eonis, doch der Tod auf dem Schlachtfeld schreckte ihn weniger als das Geschrei von Alten und Kindern. Tapfere Recken für einen Scheinangriff in den sicheren Tod zu schicken, das war das Vorrecht jedes Königs, der selbst mit blanker Klinge auf einem Leichenberge focht. Doch ein Herrscher unterlag auch Pflichten. Etwa der, das eigene Volk und seine Errungenschaften auch über die nächsten Generationen zu erhalten.
    Myandor! , dachte Eonis wehmütig. Myandor darf niemals fallen.
    »Kommt jetzt!«, rief Perac. »Die Zeit drängt.«
    »Nein«, widersprach Kimue energisch. »Zuerst muss der König noch einmal zu seinen Garden sprechen.«
    Die Augen des Herrschers verengten sich wegen ihres Eigensinns. Doch als sie ihm den ungeschützten Hals darbot, erkannte er, wie ernst es ihr mit diesem Anliegen war.
    »Du hast Recht«, gestand er ein und kraulte seiner Favoritin den Nacken. »Ich darf jene nicht vernachlässigen, die schon so lange treu meiner Fahne folgen.«
    Perac setzte zum Sprechen an, schluckte den Widerspruch, der sich in seinem Gesicht widerspiegelte, aber herunter, als Eonis ungerührt fortfuhr: »Gerade jetzt nicht, da der fürchterliche Feind zu jeder Zeit über uns herfallen kann.«
    Sein eindringlicher Tonfall stellte klar, dass er in diesem Punkt nicht mit sich verhandeln ließ.
    Mit den übrigen Greifen an seiner Seite flog Eonis zu den Gardisten herab. Vor den drei Kompanien angelangt bemerkte er endlich die Unruhe, die ihm zuvor entgangen war. Die Rauchwand über Onra war vom Boden aus nicht zu erkennen, zu viele Wälder und Erhebungen versperrten die Sicht. Trotzdem spürte er eine Kluft zwischen sich und den Männern und Frauen, die das Abzeichen der kampfbereiten Pranke mit der darüber gekreuzten Streitaxt auf ihrer Brust trugen.
    »Was ist mit ihnen?«, fragte Eonis leise, als er die Feindseligkeit in den Augen der Truppe bemerkte.
    Es waren Situationen wie diese, in denen ihm Kimue eine gute Ratgeberin war. »Die Umbrüche der letzten Tage kamen zu schnell für sie«, antwortete sie ebenso gedämpft wie er. »Man munkelt, wir hielten uns mit unseren Flügeln für etwas Besseres als die gewöhnlichen Leu. Das wäre auch der Grund dafür, dass wir lieber mit den Gryff an unserer Seite kämpfen.

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