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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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dass die Hexe richtiglag, als er mit seiner Stiefelspitze mitten in der Luft hängen blieb, obwohl nicht das kleinste Hindernis – etwa ein straff gespannter Faden – auszumachen war. Rasch kniete er nieder und streckte die freie Hand aus. Knapp eine Elle über den Dielen stieß er auf einen unsichtbaren Widerstand. Auf etwas Weiches, Nachgiebiges, aber leider auch furchtbar Kaltes …
    »Verdammt.« Der Fluch kam ihm nur leise über die Lippen, trotzdem kniete Bree sofort neben ihm. Ohne jede Scheu tastete sie über den durchsichtigen Körper. Venea reagierte nicht im Geringsten auf die Berührungen. Nicht mal ein leises Stöhnen war zu hören.
    Rorns Kopfhaut begann zu kribbeln.
    »Ist sie schon tot?«, fragte er beklommen.
    »Ich glaube nicht«, antwortete Bree, ohne aufzusehen. »Sobald ihr Lebenslicht erlischt, versiegt normalerweise auch die Kraftquelle der Jadesteine.«
    Ich glaube nicht. Normalerweise. Wenn bisher noch Zweifel daran bestanden hatten, dass Bree eine Novizin war, waren sie spätestens jetzt ausgeräumt.
    Trotzdem wusste sie besser als Rorn, was zu tun war. Mit fliegenden Händen zeichnete sie die Konturen der Schattenschwester nach. Endlich fand sie Veneas Arm und tastete an ihm herab, bis sie die Schlangenarmbänder spürte.
    »Fest wie eine Mauer«, flüsterte sie und ließ dabei ihre Fingerkuppen über den Jadeaugen kreisen.
    Wichtiger als die Formel war wohl die Konzentration, die sie aufbrachte, während sie die unsichtbaren Steine rieb. Ihre Oberarmwunde schien ganz vergessen, obwohl die Bewegungen des verletzten Arms natürlich unbeholfener wirkten als die des gesunden.
    »Der Schattenmutter sei Dank!« Bevor Rorn sah, worüber sich die Blonde freute, bemerkte er, dass Grimmschnitters Jadesplitter aufglühte.
    Gleich darauf wusste er, auf welchen Vorgang sein Schwert reagierte. Das unsichtbare Etwas, das Bree mit ihren Händen umklammerte, nahm die Konturen eines erschlafften Frauenarms an. Der übrige Körper schälte sich ebenfalls langsam aus dem Nichts hervor.
    Das war Venea! Kein Zweifel! Ihre Gesichtszüge traten bereits deutlich hervor, obwohl sie noch transparent waren. Innerhalb weniger Herzschläge wurde die ganze Gestalt immer undurchlässiger, allerdings blieb Veneas von Natur aus dunkle Haut ungewöhnlich blass, während ihr Gewand wieder den ursprünglichen Farbton annahm. Sofort zog Bree den Oberkörper der Bewusstlosen an sich und bettete Veneas Kopf in ihren Schoss.
    »Atmet sie?«, fragte Rorn, während er sein Schwert zurück in die Scheide steckte.
    »Ich glaube schon«, sagte Bree, während sie Veneas Wange mit ihrem Handrücken streichelte. »Aber sie ist eiskalt. Wir müssen sie aufwecken. Bloß wie?«
    »Lass nur, ich mach das schon.« Noch ehe die Blonde begriff, was er vorhatte, beugte Rorn sich über die beiden Hexen und versetzte Venea zwei kräftige Ohrfeigen.
    »Du grober Klotz!«, fuhr Bree auf, bezähmte aber ihre Empörung, als ihre Schattenschwester zu ächzen begann.
    Nur einen Atemzug später schlug Venea die Augen auf.
    »Siehst du?«, triumphierte Rorn. »Ich habe vielleicht keine Ahnung von Zauberei, aber dafür jede Menge Lebenserfahrung.«
    Bree bedachte ihn mit einem giftigen Blick, sparte sich aber jede weitere Vorhaltung. Zum Streiten war einfach keine Zeit.
    »Mir ist kalt«, jammerte Venea leise, bevor ihre Stimme zu einem undeutlichen Murmeln verkam. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass sie zurück in die Ohnmacht zu gleiten drohte.
    Bree begann mit ihren Händen die Arme der Zunftschwester zu reiben. Das wärmte sie auf und regte den Blutfluss an. »Tabeth!«, rief sie dabei. »Sieh nach, ob du eine Decke findest und komm endlich her!«
    Dass die Rothaarige sich nirgendwo blicken ließ, gab Rorn allmählich zu denken. Seine Rechte fest am Schwertgriff sah er sich vorsichtig um. Nun, da die ärgste Sorge um Venea abgeklungen war, überprüfte er sorgsam jedes Detail im Raum. Hadik hing noch immer kopfüber von der Decke, und die betäubte Spinne musste dringend durch das Fenster verschwinden, ehe sie wieder erwachte. Aber all das wurde nebensächlich, als er einen schmalen, fein gearbeiteten Frauenschuh hinter einer schweren Kiste hervorragen sah.
    Rorn spürte ein nagendes Gefühl in der Magengrube, das sich noch tiefer in ihn hineinfraß, als er die Kiste vorsichtig umrundete. Die verkrampfte Haltung des nun sichtbaren Beins verhieß nichts Gutes. Seine Befürchtung, dass es sich um Tabeth handelte, wurde rasch zur Gewissheit, als er das

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