Bannstreiter
zur Zeit der Greifen über diese Welt wandelte.«
»Hatra?«, stieß Rorn überrascht hervor. »Die alte Sumpfhexe?«
»Einst war sie mehr als das! Einst gehörte sie zu jenen, die an die Welt hinter der Welt rührten! Hatra hat schon damals einen Fehler begangen, so wie bei dir, auch wenn du sie dazu gezwungen hast …« Was danach kam, ging in einem fürchterlichen Husten unter.
Brees Rücken bog sich durch, während sie verzweifelt um Atem rang. Rorn fürchtete schon, dass sie ersticken könnte, doch ihr Zustand verbesserte sich wieder.
»Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, verkündete die Schattenmutter. »Drum wisse, dass es Zeiten gab, da Leu und Gryff über diese Lande herrschten. Beide Völker vereinte der Hass auf die Zyklopen, die keinen Deut besser waren als sie.«
Müssen ja furchtbare Zeiten gewesen sein , dachte Rorn verächtlich, während Schattenmutters Redefluss durch ein weiteres Gurgeln in Brees Kehle unterbrochen wurde. Fast so schlimm wie heute.
»Damals tobten Kriege von solcher Grausamkeit, dass sie jedes menschliche Vorstellungsvermögen sprengen würden«, fuhr die Schattenmutter fort, als hätte sie seine Gedanken erraten. »Es war eine Epoche, die nie wiederkehren darf, oder es wird das Blut Millionen Unschuldiger kosten! Doch böse Mächte, die für Äonen gebannt waren, versuchen nun zurück in diese Welt zu gelangen.«
»Wie?«, fragte Rorn erschrocken. »Wie ist das möglich?«
Doch die Schattenmutter ging nicht auf seine Fragen ein. Immer rascher redete sie gegen das Röcheln in Brees Kehle an: »Die Blutjade, sie soll den Weg öffnen! Und der Feind ist schon weit auf seinem Weg vorangekommen. Nur du und dein Bann können noch das Schlimmste verhindern! Drum ziehe aus gen Syrk, Rorn, und bezwinge den Herrn der Spinnenreiter, bevor es zu spät ist. Meine Schattentöchter werden dich begleiten und in allem so gut unterstützen, wie sie nur können.«
Die letzten Worte waren kaum noch verständlich. Noch ehe Rorn eine weitere Frage stellen konnte, kippte Bree würgend zur Seite. Die fremde Macht, die sich ihres Körpers bemächtigt hatte, gab sie schlagartig frei. Doch damit war die Tortur noch nicht überstanden.
Keuchend krümmte sie sich in Hadiks Seidenkissen zusammen und rang nach Luft. Zwischen zwei Atemzügen erbrach sie sich immer wieder, bis ihr Magen nichts mehr von sich gab. Magie mochte vieles ermöglichen, was sonst unerreichbar war, doch sie war auch eine sehr anstrengende Angelegenheit.
Kaum selbst aus ihrer Trance erwacht beugte sich Venea schon über die wild zuckende Hexenschwester, um sie so gut wie möglich zu beruhigen. »Oh, du Arme, musstest alleine das Sprachrohr sein«, flüsterte sie dabei immer wieder. »Es tut mir leid, dass ich noch zu schwach war, um diese Bürde mit dir zu teilen!«
Rorn suchte inzwischen nach einem Krug mit Wein – was nicht sonderlich schwer war – und einem sauberen Becher – was sich als nahezu unmöglich erwies. Dabei fiel sein Blick auf eine kleine Feldmaus, die aus einem offenen Käfig hervorlugte und alles mit zitternden Tasthaaren zu beobachten schien. Die neben ihr stehenden Futternäpfe machten klar, dass es sich um ein Haustier handelte.
Hadik war schon ein seltsamer Vogel gewesen, aber offensichtlich niemand, der an der Welt hinter der Welt rühren wollte. Das hatte ihn das Leben gekostet.
Nachdem er einen irdenen Becher saubergewischt und gefüllt hatte, trat Rorn zurück an den Kissenstapel. Bree ging es inzwischen schon wieder so gut, dass sie sich aufrichten konnte.
»Hier«, sagte er, und hielt ihr den Wein entgegen. »Das hilft dir, den Geschmack aus dem Mund zu spülen.«
Bree schüttelte nur angewidert den Kopf.
»Trink schon«, drängte er, bevor er grinsend hinzufügte: »Eure Schattenmutter hat befohlen, dass ihr mir gehorchen sollt.«
»Hat sie nicht!« Venea zog ihm den Becher so heftig aus der Hand, dass der Inhalt überschwappte. Danach wandte sie sich an Bree und sagte: »Komm, nur ein paar Schluck. Das wird dir wirklich helfen.«
Nach anfänglichem Zögern rang sich die Blonde dazu durch, auf den Rat der erfahrenen Schwester zu hören. Sie keuchte zwar immer wieder, trank aber schließlich doch den ganzen Becher leer.
Rorn legte inzwischen wieder seinen Mantel an.
»Ich dränge euch nicht gern«, sagte er dann mit dem nötigen Ernst. »Aber die Morgenröte ist nicht mehr fern. Wir müssen jetzt gehen und können dafür noch in unseren Quartieren ausruhen.«
Da Venea sich um Bree kümmern
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