Bannstreiter
im freien Fall Geschwindigkeit auf, bevor er seine Schwingen entfaltete. Seine Greifen taten es ihm sofort nach, aber auch Goron und die überlebenden Gryff zögerten keinen Moment, sich ihm anzuschließen. Nur Hauptmann Nibar und die übrigen Leu-Gardisten blieben zurück, weil es ihnen am Wichtigsten fehlte, das ein Krieger in diesem Kampf benötigte.
An Flügeln.
Die noch in der Luft befindlichen Zyklopen waren mit Ruß und Brandblasen überzogen. Dort, wo die Halterungen der Armklingen gesessen hatten, hoben sich dampfende Wundringe ab. Am ganzen Körper blitzte rohes Fleisch unter aufgeplatzten Hautlappen hervor, aber, was noch viel wichtiger war – die Giganten hatten ihren Kampfeswillen verloren.
Wo immer Greifen und Trutzadler über sie herfielen, hatten sie den wütenden Attacken nichts entgegenzusetzen. Ihre Rüsselschläge vermochten niemanden mehr ernstlich zu verletzen, und der Trompetenhall war verklungen.
Eonis war über und über mit Blut bespritzt, nachdem er einen der Giganten in der Luft enthauptet hatte. Während der Rumpf unter ihm in die Tiefe stürzte, sah er sich nach einem neuen Gegner um. Lederner Schwingenschlag wies ihm die Richtung. Sein Herz schlug schneller, als er einen Mamuth entdeckte, der vor einer Schar Trutzadler floh.
Mit dem Mut der Verzweiflung nahm der verletzte Gigant so viel Höhe auf, dass die Gryff den Anschluss verloren. Doch so viele Kräfte konnte die Panik ihm gar nicht verleihen, dass er einem ausgeruhten Greifen entkam. Voller Grimm schlug Eonis mit den Flügeln, um dem Feind den Weg in die Wolken abzuschneiden. Fest dazu entschlossen, sich durch nichts aufhalten zu lassen, stieg er auf.
»Lasst ihn fliehen!«, forderte Hatra, die plötzlich aufrecht neben Eonis in der Luft schwebte. »Einige Überlebende sollen ruhig von ihrer Niederlage erzählen. Das wird die übrigen Mamuth verzweifeln lassen.«
Es ärgerte ihn, dass die Hexe schon wieder Recht hatte, doch er war selbstbewusst genug, um einen guten Rat anzunehmen, wenn er ihn hörte. Auf sein Geheiß hin ließen die Greifen sogar noch zwei weitere Zyklopen unbehelligt, denn niemand wusste, wie schlimm ihre Verletzungen wirklich waren. Es war gut möglich, dass alle drei tot vom Himmel stürzten, bevor sie eines ihrer Portale erreichten.
Die dunkle Front war inzwischen aufgerissen, erste Sonnenstrahlen brachen zwischen den Wolken hervor. Eonis sah sich vergeblich nach Perac um.
»Wo ist dein Großmeister geblieben?«, wollte er von der Hexe wissen. »Erntet er schon wieder Zyklopentränen?«
Hatra verneinte amüsiert, bevor sie sagte: »Der Schlag gegen die Mamuth hat Perac alles abverlangt. Er ist so erschöpft, dass er sich ausruhen muss.«
»Heute feiern wir einen großen Sieg«, bestätigte Eonis, während er seinen Blick über die am Boden verstreuten Toten wandern ließ. Fast zweihundert Zyklopen hatten ihr Leben gelassen, schätzte er. Aber auch die vier- bis fünffache Anzahl an eigenen Truppen, wenn er die toten Gryff mitzählte. »Einen sehr teuer erkauften Sieg! Viele der Unseren würden noch leben, hätte Perac die Elemente früher zur Hilfe gerufen!«
Die unterschwellige Anklage in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Magie funktioniert nicht so einfach, wie Ihr glaubt, mein König«, belehrte ihn die Hexe. »Es existiert ein ewiges Gleichgewicht, das beachtet werden muss. Solch gewaltige Mächte lassen sich nur entfesseln, wenn dafür ein entsprechender Ausgleich geleistet wird.«
Die Rückenmuskulatur des Königs verkrampfte sich. Plötzlich fiel es ihm schwer, sich weiterhin in der Luft zu halten.
»Redest du von einem Blutzoll?«, fragte er gedehnt. »Dann habt ihr also in Wirklichkeit nie daran geglaubt, dass der Angriff auf die anderen Türme die Zyklopen zum Rückzug zwingen würde?«
»Ich weiß nicht mehr als Ihr, mein König«, wich Hatra aus, anstatt seine Vorwürfe abzustreiten. »Alles, was heute geschah, war Peracs Plan. Und er weiht mich keineswegs in alle Einzelheiten ein.«
Eonis enthielt sich weiterer Worte. Von nun an stand für ihn jedoch fest, dass seine am Boden verbliebenen Garden als Lockvogel und als Blutopfer für jenen Zauber gedient hatten, der die Zyklopenscharen niedergestreckt hatte.
Die Lippen fest aufeinandergepresst sah er auf das Schlachtfeld herab. Um den Turm herum war es sehr still geworden, trotzdem hallten Schreie in seinen Ohren wider. Ihm war, als hörte er das Klagen der unschuldig Ermordeten, die Sühne für ihren Tod verlangten.
Ein
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