Bannstreiter
ausschließlich nach vorne gerichtet, auf die Schenke im Wald.
Zur Zeit der Zyklopen
Noch wenige Monde zuvor hätte Eonis sich niemals vorstellen können, je einen Fuß nach Okdor zu setzen, dem größten Heiligtum der Trutzadler. Ein spiralförmig in den Boden getretener Pfad umrundete die kegelförmige Erhebung genau neunundneunzig Mal, bevor er auf einem kreisrunden Plateau endete, auf dem die Häupter der erschlagenen Mamuth zu hohen Bergen aufgestapelt waren. Einigen wenigen Trophäen hatten sie den Rüssel gelassen, damit die Gryff das wahre Gesicht des Feindes sahen. Den meisten aber hatten sie den widerlichen Fortsatz abgeschnitten, weil er einfach zu viel Platz kostete. Ein gutes Dutzend der Köpfe war außerdem in siedendem Wasser gelandet, um das Fleisch besser von den Knochen lösen zu können. Diese blanken Schädel dienten nun dazu, auch dem dümmsten Gryff zu zeigen, dass die große Öffnung inmitten der Stirn keine Augenhöhle war, sondern dass es sich um gewaltige Nasenlöcher handelte, die todbringenden Trompetenhall hervorzubringen vermochten.
All die Legenden über einäugige Riesen, die von Generation zu Generation weitergegeben worden waren, hatten sich als vollkommen falsch erwiesen. Diese Nachricht war nur schwer zu verdauen, da erging es den Gryff nicht besser als den Leu. Für Eonis und die Seinen blieben die Mamuth deshalb auch weiterhin die Zyklopen, egal wie falsch die Mutmaßungen auch waren, auf denen der Name ihrer Feinde fußte.
Rund um den Kegel breitete sich ein schwarzes Gefiedermeer aus. Jeder Horst der Nordermark war mit einer Abordnung vertreten, die sich mit eigenen Augen von der Niederlage der Zyklopen überzeugen sollte. Inmitten der 184 Köpfe thronend schleuderte Goron der Versammlung seinen Anspruch entgegen, oberster Kriegsherr aller Gryff zu sein, und es gab nicht einen Geschnäbelten, der es gewagt hätte, ihm dieses Amt streitig zu machen.
»Goron!«, skandierte die Menge immer wieder den gleichen Ruf. »Goron, der Zyklopenschlächter!«
Sowohl Triumph als auch sehnsüchtige Hoffnung wohnten dieser Heldenverehrung inne. Der Krieg gegen die grauen Giganten hatte das Volk der Trutzadler bereits an den Rand der Vernichtung getrieben, nun keimte erstmals wieder Zuversicht auf. Die großen Hoffnungen, die dadurch auf Gorons Schultern lasteten, hätten manch anderen erdrückt, doch der Kriegsherr aller Gryff war zum Glück viel zu dumm, um das ganze Ausmaß der Erwartungen zu erfassen.
Zweifel oder Sorgen waren ihm fremd. Alles, was er wollte, war zu kämpfen und sich für seine Siege feiern zu lassen. Solange das geschah, war er mit sich und seiner Welt zufrieden.
Angesichts seiner Erfolge hielten ihn auch die Gryff-Schamanen für einen Liebling der Götter. Was sollten sie auch sonst glauben, bei all den Häuptern, die Goron dem Volk der Nordermark präsentierte? Nun kam es nur noch darauf an, dass der Zyklopenschlächter seine Verbündeten nicht vergaß. Dann war der Untergang der Mamuth so gut wie besiegelt.
Eonis und die übrigen Greifen schwebten hoch am Himmel, während sie auf die entscheidenden Passagen in Gorons Rede warteten. Von hier oben aus waren gleich zwei Zyklopentürme zu sehen, einer von ihnen erhob sich sogar in Sichtweite zu Okdor. Die geflügelten Trutzadler waren den Mamuth lange Zeit gefährlicher erschienen als die Leu, darum drängten sich in der Nordermark wesentlich mehr ihrer mächtigen Bauwerke als in den Ebenen von Simwae.
»Wisset, dass der Kampf gegen den fürchterlichen Feind nicht alleine zu gewinnen ist!«, verkündete Goron gerade der lauschenden Menge. »Nur zusammen mit unseren Verbündeten, den Leu, ist es mir gelungen, den Zyklopen eine so vernichtende Niederlage beizubringen!«
Der Beifall für seine Worte fiel erstmals verhalten aus. Die über Generationen gewachsene Rivalität zwischen Nordermark und Simwae saß einfach zu tief, um sie über Nacht abzulegen. Erneut musste Eonis die Weisheit anerkennen, mit der Perac die Greifen als Brücke zwischen den beiden Völkern geschaffen hatte.
Wahrhaftig, der Großmeister war ein kluger Kopf.
Zu klug, um ihn auf Dauer sein mächtiges Amt ausüben zu lassen …
»Zügelt eure Gefühle«, forderte der Kriegsherr sichtlich ergrimmt. »Ihr alle, die ihr nicht dabei gewesen seid an dem Tag, als Leu und Gryff Schulter an Schulter ihr Blut vergossen haben!«
Es war Peracs Zunge, die dort mit Gorons Stimme sprach, aber das machte die Rede keinen Deut schlechter. Im Gegenteil.
»Nur
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