Bannstreiter
auch immer die Schattenschwestern eine Bestattung vollzogen, ging nur sie etwas an.
Tabeth war im Grenzland zwischen Baros und Thyrm aufgewachsen, das hatte er schon an ihrem Akzent erkannt. Bree stammte eindeutig aus Iskan, während Venea aus einem der Länder jenseits der Großen Öde kam, die nur per Schiff zu erreichen waren. Ihre heimischen Riten und Gebräuche hätten also unterschiedlicher nicht sein können, doch es war die gemeinsame Zunft, die die drei Frauen verband.
Leise Gesänge, die manchmal von leisen Klagelauten unterbrochen wurden, drangen zwischen den Bäumen hervor.
Die Sonne war dem westlichen Horizont schon bedenklich nahe gekommen, als die Hexen zu den Pferden zurückkehrten. Rorn schnallte sofort die Hafersäcke ab, was seinen Grauschimmel zu einem unwilligen Schnauben veranlasste.
»Wollen wir nicht gleich hier unser Nachtlager aufschlagen?«, fragte Bree, die sich am schwersten von der Toten lösen konnte. »Es wird ohnehin bald dunkel.«
»Wir müssen noch ein gutes Stück schaffen«, widersprach Venea, um Rorn von dieser unangenehmen Pflicht zu entbinden. »Du hast doch gehört, was die Schattenmutter sagte. Es steht viel auf dem Spiel, und die Zeit läuft uns davon.«
Schweigend machten sie sich auf den Weg, ohne sich noch einmal umzudrehen, weil das den Abschied nur noch schwerer gemacht hätte. Rorn führte ihre Gruppe über schmale Pfade auf eine breite, die Küste entlangführende Straße, auf der sie ihren ausgeruhten Pferden alles abverlangen konnten.
Die Königsmeilen flogen nur so dahin, während sie abwechselnd vom Trab in den Galopp und wieder zurück fielen. Rorn, der der Schwerste von ihnen war, wechselte dabei mehrmals zwischen seinem Grauschimmel und Tabeths Wallach, wodurch sich der Zeitpunkt, an dem sie den Tieren eine Rast einräumen mussten, stark nach hinten verschob.
»Wenn wir noch mehr Ersatzpferde hätten, kämen wir viel schneller voran«, sagte Bree, während sie die verschwitzten Tiere trockenrieben.
»Sicher«, bemerkte Rorn knapp. »Nur woher sollten wir die nehmen, selbst wenn wir sie bezahlen könnten?«
Bree zuckte verlegen mit den Schultern. Sie hatte natürlich nur laut gedacht. An guten Reitpferden herrschte wahrhaftig ein Mangel, und alte Klepper oder gar Ackergäule nutzten ihnen in ihrer Situation nicht das Geringste.
Als die Schatten immer länger wurden, stießen sie auf einige im Karree aufgestellte Fuhrwerke. Die Männer und Frauen, die darin reisten, bereiteten gerade ihr Nachtlager vor. An dem Klee, den sie in den Haaren oder am Hemd trugen, erkannte man sofort, dass es sich um Pilger handelte.
»Folgt uns zur Domäne«, flüsterte Bree leise. »Dorthin, wo das Volk herrscht und nicht der König.«
Auch sie hatte die immer gleiche Aufforderung schon so oft gehört, dass sie sie auswendig herunterbeten konnte. Zu ihrer Überraschung wurden sie aber mit einem ganz anderen Satz empfangen.
»Habt ihr meine Kinder gesehen?«, rief ihnen eine aufgeregt wirkende Frau zu, die sich auf einen Kutschbock gestellt hatte, um einen besseren Überblick zu erlangen. »Es wird bald dunkel, und sie kehren einfach nicht zurück!«
Rorn und die Hexen konnten nur verneinen.
Während die besorgte Mutter weiter in alle Richtungen spähte, tauchten weitere Männer und Frauen auf, die ihnen anboten, sich mit zu ihnen ans Feuer zu setzen. Trotz des großen Kessels, der über einem Dreibein hing und in dem es schon kräftig köchelte, lehnten Rorn und die Hexen ab. Sie wollten lieber für sich bleiben, schon alleine, um keine Unschuldigen zu gefährden.
Rorn trug immer noch die Blutjade bei sich, und niemand wusste, wann und wo die Spinnenreiter wieder zuschlagen würden. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, strebten sie weiter landeinwärts, um nach einem einsamen Waldstück zu suchen, in das sie sich zur Nacht zurückziehen konnten.
Aufsteigender Rauch wies ihnen den Weg zu einem kleinen Forst, von dem sich gerade zwei weibliche Gestalten in schnellem Lauf entfernten. Ihre Röcke hatten die beiden bis weit über die Knie gerafft, um mehr Beinfreiheit zu erlangen. Rorn hätte sich dabei nichts weiter gedacht, wäre nicht ihre zerschlissene Kleidung gewesen. Die Rocksäume der jungen Frauen hingen in Fetzen, als wären sie blindlings durchs Unterholz gebrochen. Eines der Mieder stand außerdem offen, sodass zwei auf- und abwippende Brüste zu sehen waren, obwohl die Läuferin den Stoff notdürftig mit einer Hand zusammenzuhalten versuchte.
»Was ist
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