Bannstreiter
denn in die beiden gefahren?«, wunderte sich Venea, während sie ihr Pferd zügelte.
»Die Töchter der Pilgerin«, sagte Rorn tonlos. »Ich glaube, wir haben sie gefunden.«
Urte und Ira, so hießen die beiden Vermissten. Ihre Mutter hatte ihre Namen oft genug genannt und dabei auch die dazugehörigen Gesichter beschrieben: das eine leicht birnenförmig, mit Stupsnase und Pausbacken, das andere schmal, mit einer leicht vorspringenden Nase. Die Ähnlichkeit mit den beiden in Panik dahinjagenden Gestalten, die immer wieder nach Verfolgern Ausschau hielten, war unübersehbar.
Die fliehenden Mädchen, die bereits an der Schwelle zur Frau standen, erschraken zunächst, als Rorn und seine Begleiterinnen auf sie zusprengten. Voller Panik wichen sie zur Seite aus. Erst, als sie in Bree und Venea zwei Frauen erkannten, zeichnete sich Erleichterung auf ihren Gesichtern ab.
Der scharfe Lauf hatte ihnen alles abverlangt. Völlig ausgepumpt hielten sie inne und stützten sich mit ihren Händen auf den Oberschenkeln ab. Ihre Gesichter waren erhitzt, der Atem ging stoßweise.
»Seid ihr Antras Töchter?«, wollte Rorn wissen, als er seinen Grauschimmel zügelte.
Die beiden nickten eifrig, brachten aber zunächst kein einziges Wort hervor. Angesichts ihrer verheulten Augen und der ramponierten Kleidung konnte man sich allerdings leicht denken, was ihnen widerfahren war. Das Blut, das Urte an den Waden herablief, stammte zum Glück nur von den Beinen, die bei der Flucht durch das Dickicht zerkratzt worden waren. Das ließ darauf hoffen, dass sie beide noch einmal mit dem Schrecken davongekommen waren.
Bree und Venea sprangen sofort aus den Sätteln, um ihre tröstenden Worte auf Augenhöhe auszusprechen. Rorn stellte sich hingegen in den Steigbügeln auf und spähte in die Richtung, aus der die Mädchen gekommen waren. Er glaubte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben, und trotz der einsetzenden Dämmerung hatten sich seine scharfen Augen nicht getäuscht. Drüben am Waldrand, dort, wo die schmale Schneise begann, die Urte und Ira ins hohe Gras getrampelt hatten, tauchten zwischen den Bäumen drei Berittene auf. Beim Anblick der Hilfe, die die jungen Pilgerinnen erhalten hatten, zügelten sie allerdings ihre Pferde.
Unentschlossen darüber, wie sie weiter vorgehen sollten, begannen sie zu beratschlagen, ob sie die Verfolgung fortsetzen oder besser umkehren sollten.
Selbst auf die Entfernung hin erkannte Rorn, dass sie sich in schreiend bunten Farben herausgeputzt hatten, deren Zusammenstellung stark voneinander abwich. Das bedeutete, dass sie weder Jäger noch Wilderer waren – da diese gedeckte Töne bevorzugten –, aber auch keine Uniformträger; es sei denn, sie dienten verschiedenen Herren, was aber eher unwahrscheinlich war. Nein, der lässigen Art nach zu urteilen, in der sie auf ihren Pferden kauerten, handelte es sich bei ihnen um streunende Sattelwölfe, die auf die eine oder andere Weise vom Schwert lebten.
Drei Pferde , dachte Rorn im Stillen, das ist eines mehr, als wir noch zum Wechseln bräuchten . Von grimmiger Zufriedenheit erfüllt sank er in den Sattel zurück.
Venea stellte inzwischen die unvermeidliche Frage, die sie den geschundenen Frauen nicht ersparen konnte. »Was ist euch widerfahren?«, wollte sie wissen.
»Da war eine Schenke mit groben Männern«, stieß Ira, deren Mieder in Fetzen hing, als Erste hervor. »Sie … Sie …«
»Sie wollten uns Gewalt antun«, beendete Urte den Satz ihrer Schwester. »Doch wir konnten im letzten Moment fliehen, weil uns die Wirtin eine Hintertür geöffnet hat.«
»Trugen diese rauen Gesellen bunte Kleidung und waren zu dritt?«, wollte Rorn wissen.
»Ja«, hauchte Ira überrascht. »Woher weißt du das?«
»Nur geraten«, log Rorn, weil die Verfolger gerade ihre Pferde wendeten und wieder zwischen den Bäumen verschwanden. Entweder hatten die drei nicht erkannt, dass Bree und Venea unbewaffnet waren, oder sie waren noch größere Feiglinge, als er ohnehin schon angenommen hatte.
»Zuerst waren die drei ja ganz nett«, sprudelte die hagere Ira unterdessen los. »Besonders Nomar, der Spitzbart! Der hat die ganze Zeit über lustige Späße gemacht und uns dann gefragt, ob wir nicht etwas trinken wollen, weil es doch so heiß wäre. Aber als uns schon ganz schummerig vom vielen Wein war und wir deshalb keinen weiteren wollten, wurden sie plötzlich gemein und haben mir …«
Schniefend sah sie auf ihr zerrissenes Kleid herab.
»Das wird dich hoffentlich
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