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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Stelle des Bannstreiters. »Aber ob du dort erscheinen darfst, scheint mir noch ungewiss zu sein.«
    Gerwin ballte seine Hände zu Fäusten und stapfte unruhig mit den Füßen auf. Tränen der Angst schimmerten in seinen Augen auf.
    Rorn zwinkerte ihm zu, damit er wusste, dass es schon nicht so schlimm werden würde. »Es wird schon klappen, wenn ein Oberer wie ich ein gutes Wort für dich einlegt«, versprach er dabei. »Ich mache dir einen Vorschlag. Du darfst die Zusammenkunft besuchen, wenn wir von Anfang an ein Auge auf dich haben können. Warum treffen wir uns nicht später an der großen Marktsäule und suchen die Versammlung gemeinsam auf?«
    Der Gedanke gefiel dem Jungen.
    »Bei Anbruch der Dunkelheit?«, fragte er zaghaft.
    »Das wollte ich selbst gerade vorschlagen«, log Rorn. »Und jetzt ab mit dir!«
    Gemeinsam sahen sie dem davoneilenden Jungen nach, bis er in der Menge der Marktbesucher verschwunden war.
    »Glaubst du, dass es bei dieser Zusammenkunft etwas Interessantes zu erfahren gibt?«, fragte Bree zweifelnd.
    »Für den Fall, dass Rabold wirklich dort auftaucht, bestimmt!«
    Dem hatte die blonde Hexe nichts entgegenzusetzen. »Und was machen wir bis zum Einbruch der Dunkelheit?«, fragte sie trotzdem.
    Rorns Blick pendelte von ihr zu Venea und wieder zurück, bevor er antwortete: »Ein paar Freunde besuchen, die uns hoffentlich helfen können.«
    Zur Zeit der Zyklopen
    Die neuen Gemächer, in die sich Eonis immer öfter zurückzog, waren für gewöhnliche Leu nicht zu erreichen. Sie lagen in einem hohen, nach dem Vorbild der Zyklopenbauten errichteten Turm, der einen massiven Sockel ohne Treppen oder andere Aufgänge besaß. Hoch über Myandor ragte er auf, ein weithin sichtbares Zeichen der neuen Überlegenheit, aber auch der bisher unbekannten Distanz, die zwischen dem Volk und dem Hochadel zu spüren war.
    Hinter vorgehaltener Tatze wurden er und seine Getreuen nur noch als Greifen bezeichnet, und zwar in einem Tonfall, in dem die Verachtung eindeutig überwog. Der Krieg gegen die Zyklopen hatte viele Opfer gefordert. Das waren die kämpferischen Leu durchaus gewohnt, aber dass die Verluste vor allem die Fußtruppen betrafen, während die geflügelte Elite nahezu unbeschadet aus den Schlachten hervorgegangen war, stieß vielen im Volke sauer auf.
    Kaum eine Familie, die nicht einen oder mehrere Tote zu beklagen hatte – und entsprechend verbittert zu dem herrschaftlichen Turm hinaufblickte.
    Es hieß doch, dass die Gryff für uns bluten sollen! Hat sich Eonis nicht aus diesem Grunde Flügel anhexen lassen? Nur, damit sich ihm die Trutzadler unterwerfen? Solche und ähnliche Reden machten auf den Straßen flüsternd die Runde, und einige geschickt gestreute Zyklopentränen sorgten dafür, dass viele Leu inzwischen glaubten, die Edlen hätten sich ihre Schwingen nur zugelegt, um dem mächtigen Gegner besser ausweichen zu können.
    Während Eonis am hohen Bogenfenster stand und auf die Straßen hinabsah, dachte er über die aufrührerischen Reden nach, die ihm bereits zu Ohren gekommen waren. Der Rückzug der Zyklopen hatte dem Sieger zwar eine Verschnaufpause beschert, in der er heimkehren konnte. Doch je stärker der Alltag wieder ins Leben einzog, desto spürbarer wurden die Veränderungen, die das Volk der Steppe spalteten. Eonis bekam den allgemeinen Unmut zwar weniger zu spüren als jene Getreue, deren Gefährtinnen flügellos geblieben waren. Trotzdem zog er sich immer stärker zurück und verließ nur noch selten seine Gemächer. Während Kimue und die übrigen Haremsdamen unermüdlich von Stadt zu Stadt flogen, um die Treue der eigenen und der verbündeten Truppen zu überwachen, ergab sich der Monarch immer häufiger seiner Schwermut und dem Trunke, wie es hieß.
    Das war der richtige Moment für Hatras weitreichende Pläne. In jenem kurzen Augenblick vor der großen Schlacht, in dem sie sich Eonis in ihrer ganzen Schönheit präsentiert hatte, hatte sie seine Erregung deutlich gespürt. Nun galt es, aus dieser flüchtigen Gefühlsaufwallung eine dauerhafte Liebesfessel zu schmieden.
    Die Kunst der Levitation nutzend war sie zu seinen Gemächern aufgestiegen und betrachtete ihn durch die seidenen Vorhänge, die das einfallende Licht dämpften. Die Tageszeit, zu der sie ihn besuchte, und der auf ihrem rechten Unterarm sitzende Vogel sollten ihrer Aufwartung einen harmlosen Anschein geben. Lautlos in der Luft schwebend beobachtete sie, was in dem prunkvollen Gemach vor sich ging. Erst,

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