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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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als sie ganz sicher sein konnte, das Eonis alleine war, löste sie eine leichte Brise aus, die die vor ihr hängenden Schleier nach innen wehten.
    Der in lederne Armwickel und weite Beinkleider gewandete Leu wirbelte überrascht herum, als sie zu ihm hereinschwebte. Obwohl sie zu keiner Audienz gemeldet war, überwog die Neugier in seinem Blick die aufflackernde Empörung.
    Eonis war wie alle Mächtigen – daran hegte die Hexe keinen Zweifel. Männer wie ihn reizte es, das Unbekannte zu erobern und genau das zu besitzen, was kein anderer sein Eigen nennen durfte. Geschmeidige Löwenweiber mit glänzendem Fell gab es viele, doch Seths Töchter und ihre Fähigkeit, sich schlangengleich um die Hüfte eines Liebhabers zu winden, waren in seinem Zeitalter rar gesät.
    Hatra wusste um das Verlangen, dass sie in Männern schüren konnte, wenn sie ihre Vorzüge richtig zur Geltung brachte. Und so wanderten auch die Augen des Monarchen immer wieder zu ihrem tief ausgeschnittenen Gewand, während sie ihm den in allen Regenbogenfarben schillernden Vogel präsentierte, der auf ihrem rechten Handgelenk saß.
    »Bei allen Göttern der Steppe!«, rief Eonis mit einer Stimme aus, die angewidert klingen sollte und in der doch ein Hauch von Bewunderung mitschwang. »Was schleppst du mir diese Kreatur heran, die meine Augen beleidigt?«
    »Das ist ein Großschnabel-Para, wie er selbst in Randors Urwäldern nur noch selten zu finden ist«, log Hatra, die lediglich einen rabenschwarzen Aar magisch verwandelt hatte. »Er soll Euch zum Zeitvertreib dienen, nun, da eine Phase des Friedens eingekehrt ist.«
    »Törichtes Weib! Glaubst du wirklich, dass einem Krieger wie mir nach der Gesellschaft eines schreiendbunten Vogels verlangt?«, erregte sich der König.
    Wie er so dastand, mit angelegten Schwingen, deren Bögen nur wenig hinter den Schultern aufragten, wirkte Eonis beinahe wie der alte Herrscher, der er einst gewesen war. Trotzdem, Peracs Zauber hatte ihn einsam gemacht.
    Trotz des Fauchens in seiner Stimme blieb der falsche Para die Ruhe selbst. Keine einzige Kralle bohrte sich in Hatras bleiche Haut. Ihre Magie hatte nicht nur das Gefieder, sondern das ganze Wesen des Tieres verändert. Und auch sie selbst gab sich von den Drohgebärden ihres Gegenübers unbeeindruckt.
    »Es ist nicht der Vogel, der Euch die Einsamkeit versüßen soll«, antwortete sie lächelnd, während ihre freie Hand eine kreisende Bewegung vor der neben ihr aufragenden Marmorwand vollführte. »Er ist nur der Vorwand, der mir Zutritt zu Euren Gemächern verschaffen sollte. Schließlich wäre es möglich gewesen, dass eine Leibwache bei Euch weilt.«
    Aus der eben noch glatten Fläche trat eine daumendicke Goldstange hervor, die waagerecht in den Raum hineinragte. Hatra ließ sich nicht anmerken, wie viel Kraft sie diese Materialisierung kostete. Ein Zauber, der andere beeindrucken sollte, musste stets mühelos wirken. Schließlich hüpfte der bunt gefiederte Aar auf den ihm zugedachten Sitzplatz.
    »Ein Vorwand, um dir Zutritt zu verschaffen?«, wiederholte Eonis, dem die Umgestaltung seines Gemaches sichtlich missfiel. »Was hat das zu bedeuten?«
    Hatra befeuchtete ihre schmalen Lippen mit der Zunge, bevor sie sich ihm gänzlich zuwandte und einen vertraulichen Ton anschlug: »Dass niemand außer dir wissen soll, dass ich selbst das Geschenk an den mächtigen Herrscher bin«, erklärte sie, während ihre Hand über die Vorderseite ihres seidenen Gewandes strich.
    Ein feines Knistern erklang dort, wo das Gewebe zusammenschrumpfte, sodass die ohnehin schon dünne Seide gänzlich durchsichtig wurde. Hatra musste nicht an sich herabblicken, um sicherzustellen, dass ihr Zauber geglückt war. Sie erkannte an den hervorquellenden Augen des Monarchen, dass ihre körperlichen Vorzüge deutlich zum Vorschein kamen.
    »Was fällt dir ein, Schlangenweib?« Eonis Stimme klang rau und abweisend, doch sein Blick sprach eine andere Sprache. »Mit welchem Recht glaubst du …«
    »Die Lenden meines Großmeisters sind welk«, unterbrach Hatra die Abwehr des Königs. »Doch ich bin jung und sehne mich nach der Berührung durch starke Hände! Ist das etwa ein Vergehen?«
    Wie jede gute Lüge enthielt auch diese einen wahren Kern, obwohl sich Hatra nicht halb so verzweifelt nach der Befriedigung ihrer Gelüste sehnte, wie sie ihm vorspielte. Das Feuer zwischen ihren Schenkeln hätte auch jeder niedere Krieger in Myandor löschen können, doch Eonis sollte ruhig glauben, dass

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