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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Stirnhöhlen lasteten die Schatten so tief, als wären sie lebende Wesen, die durch nichts zu vertreiben waren.
    Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen und um die Leu zu beeindrucken, presste Perac seine hohlen Hände aneinander, so dass sie eine gemeinsame Wölbung ergaben. Auf einen bloßen Gedanken von ihm hin sprühten aus der Vertiefung grelle Funken hervor, die senkrecht in die Höhe schossen und sich wie glitzernde Sterne an die Höhlendecke hefteten. Eine wesentlich kleinere Anzahl ließ er in der Luft auf und ab tanzen, um die Schatten des Schädelbergs endgültig zu vertreiben.
    Trotzdem war der Anblick der Rundlöcher, die an leere Augenhöhlen erinnerten, nur schwer zu ertragen. Plötzlich konnte Perac nachfühlen, wie ein unwissendes Volk darauf kommen mochte, dass diese Schädel von einäugigen Zyklopen stammten. Obwohl es sich bei den Öffnungen in Wirklichkeit um Nasenlöcher handelte, denen die mächtigen Rüssel der Mamuth entsprangen, während die richtigen Augen mit geradezu winzigen Nebenhöhlungen auskamen.
    »Ich habe mich lange gefragt, warum einige Portale unter der Erde liegen, obwohl die Zyklopen sonst dem Himmel entgegenstreben«, erklärte Perac, ohne die Leu zu seiner Linken anzusehen. »Aber ich habe es erst nach der Entdeckung dieser Schädelberge begriffen.« Nun fixierte er Kimue doch, um seine Worte zusätzlich zu betonen: »Das hier sind ihre Friedhöfe! Wenn Ihr genau hinseht, bemerkt Ihr, dass die unteren Schädelreihen langsam zu Staub zerfallen. Es sind die ältesten Knochen in dieser Gruft, die unter dem Gewicht der Neuzugänge langsam nachgeben.«
    Die oberen Totenköpfe glänzten dagegen so frisch, als wären sie erst vor kurzem, nach den jüngsten Schlachten, hinzugekommen. Aber diesen Schluss sollte sie ruhig selber ziehen.
    Die Leu war allerdings noch in die Betrachtung der unteren, von Rissen und Absplitterungen durchzogenen Schädel versunken, die hier schon seit Jahrtausenden ruhen mussten. Ihr besonderes Augenmerk galt dabei einem Sethdolch mit Zwillingsklinge, dessen aus gewundenen Schlangenleibern geformter Griff zwischen geborstenen Scheiteln und zersplitterten Hinterköpfen hervorragte. In höheren Regionen gab es hingegen einzelne Schnabelhämmer oder Schwerter verschiedener Völker zu entdecken.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wollte sie wissen. »Sind das Trophäen?«
    »Ich denke schon«, antwortete Perac, denn es war in vielen Kulturen üblich, solche und andere Gegenstände mit in die Grabkammer zu legen. »Das sind womöglich die Waffen von Gegnern, die sich als besonders würdig erwiesen haben.«
    »Und der Rest der Zyklopenleiber?«
    »Vielleicht verbrannt?« Er zuckte mit den Schultern. »Oder der See übergeben? Ich weiß es nicht mit Gewissheit. Wahrscheinlich würde sich die Höhle bei einer kompletten Bestattung einfach zu schnell füllen. Oder die Mamuth halten nur ihre Schädel für wichtig, weil denen der Verstand innewohnt. Wer kann schon sagen, was in diesen monströsen Köpfen vor sich geht?«
    Kimue ließ sich nicht anmerken, was sie von seinen Vermutungen hielt. »Werden die Zyklopen nicht wütend sein, wenn wir ihnen den Weg zu ihren Ahnen abschneiden?«, fragte sie stattdessen.
    »Damit wird sich KhorAh-Tep wohl abfinden müssen.« Die Stimme des Schlangenpriesters troff nur so vor Genugtuung. »Ich werde jedenfalls jedes seiner Schlupflöcher doppelt und dreifach absichern. Er wird schon über seine Zyklopenmauer kriechen müssen, wenn er seine selbst gewählte Zuflucht noch einmal verlassen will.«
    »KhorAh-Tep?« Kimue hatte sichtlich Mühe, den fremdartigen Namen über die Lippen zu bringen.
    »Das ist der König jenes Volkes, das Ihr die Zyklopen nennt!«, erklärte Perac.
    Kimue nickte verstehend und sparte sich damit die Frage, woher er KhorAh-Tep kannte. Vielleicht, weil sie ahnte, dass der König der Zyklopen schon seit unendlichen Zeiten regierte, oder ganz einfach, weil sie einem Großmeister zugestand, dass er sich solch geheimes Wissen auf magische Weise aneignen konnte.
    »Die Zyklopen sind wohl älter als dein eigenes Volk?«, fragte sie stattdessen.
    »Älter als ich selbst«, gestand Perac widerstrebend ein. »Aber nicht älter als die Seth. Woher die Mamuth kamen, ist nicht ganz klar. Gerüchte besagen, dass sie von jenseits der Sterne stammen. Es hieß, sie seien vor etwas geflohen, das ihr ganzes Volk vernichten wollte. Auf jeden Fall duldeten sie uns nicht an ihrer Seite und überzogen mein Volk mit Tod und

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