Bannstreiter
käme er so schnell für dich, dass du ihn gar nicht bemerken würdest.
Die Schattenjade reagierte sofort auf seine Berührung. Knisternd wölbten sich auf der polierten Oberfläche feine Lichtbogen, die sich rasch zu einem wild zuckenden Netz vereinten. Nadelfeine Blitze stiegen aus diesem bizarren Geflecht empor und stachen tief in Peracs Hand.
Glühend heiß durchfuhren ihn die wachgerufenen Kräfte, die durch seine Arme bis in den Brustkorb drangen. Dem kurzen Moment des Schmerzes folgte das angenehme Gefühl des Machtzuwachses, der ihn befähigte, den geplanten Zauber auszuführen.
Plötzlich fühlte es sich an, als fege ein eisiger Windstoß durch die Höhle. Ein hartes Knacken ertönte, wie von treibenden Eisschollen, die sich im Winter übereinanderschoben. Kimue stieß einen leisen Fluch aus, als sie begriff, dass diese Geräusche von den Gryff stammten.
Einige der Gardisten stöhnten vor Schmerz auf, andere ließen ihre Fackeln fallen. Aber keiner von ihnen war noch fähig, sich der einsetzenden Verwandlung entgegenzustemmen. Nicht nur ihre Federn, auch ihre Rüstung nahm einen schiefergrauen Farbton an. Ihre Körper verkrampften, während sie sich unaufhaltsam in Stein verwandelten.
»Lasst die Fackeln fallen und nehmt Haltung an«, befahl Perac in der von Zischlauten durchsetzten Sprache der Seth.
Daraufhin schlugen die Pechstecken überall zu Boden, wo sie qualmend und rußend weiterbrannten. Die letzten Schmerzlaute erstarben, als die Kehlen der Gryff vollends versteinerten.
Peracs angespannte Haltung erschlaffte erst wieder, als nicht mehr der kleinste Lebensfunke eines Gryffs zu spüren war. Staunend trat Kimue auf einen erstarrten Gardisten zu und hob die vor seine Füße gerollte Fackel auf. Die auflodernde Flamme enthüllte, dass Federn, Fleisch und Rüstung des Unglücklichen fest miteinander verschmolzen waren. Wie eine aus einem Block geschlagene Skulptur stand er da, eine zur ewigen Wache verurteilte Kreatur, die nie wieder Hunger, Durst oder Müdigkeit verspüren würde, es sei denn, die Siegel des Portals wurden unrechtmäßig gebrochen.
»Ganz aus Stein!«, flüsterte Kimue beeindruckt, während sie ihre Krallen unter leisem Quietschen über das Gesicht des Trutzadlers zog, ohne dabei den geringsten Kratzer zu hinterlassen. »Wie eine lebensechte Statue!«
»Die anderen Höhlen erhalten die gleichen Wachmannschaften«, sagte Perac. »Seid Ihr nun beruhigt?«
Die Löwenfrau lächelte durchtrieben, als sie sich zu dem Magier umdrehte. Die Frage, ob Perac die Portale vollends beherrschte oder nicht, war für sie zur Nebensache geworden. Stattdessen wollte sie nur noch eines von ihm wissen: »Vermagst du alle Gryff in Stein zu verwandeln, Großmeister?«
Allein die Aussicht, sich auf diese Weise der verachteten Trutzadler entledigen zu können, ließ sie immer wieder freudig die Zähne blecken.
»Wenn die Zeit dafür gekommen ist, werden wir uns auf geeignete Weise um sie kümmern«, versprach er vage. »Doch solange Gefahr von den Zyklopen droht, sind die Gryff als Verbündete unverzichtbar. Als abhängige Vasallen, die unter unserem Bann stehen, wohlgemerkt!«
Obwohl er bewusst von uns gesprochen hatte, wusste Kimue natürlich ganz genau, dass es einzig und allein Perac und seine Zyklopentränen waren, die die Gryff beherrschten.
»Und danach?«, fragte sie lauernd. »Wirst du danach auch alle Leu in Stein verwandeln?«
Der Seth schüttelte entschlossen den Kopf.
»Warum sollte ich das tun?«, fragte er zurück, um an ihre Intelligenz zu appellieren. »Um danach einsam und alleine durch Simwae zu wandeln? Nein, ich habe den Leu meine Hilfe angeboten, weil ich sie für die legitimen Herrscher dieser Welt halte, für würdige Nachkommen meines Volkes. Nie würde ich einen Zauber zu ihrem Nachteil wirken. Allerdings …«
»Ja, was?«, stieß Kimue hervor, als er mitten im Satz innehielt.
Perac zögerte mit der Antwort, um ihre Aufmerksamkeit noch weiter zu erhöhen. Erst, als sie drohend auf ihn zu trat, fuhr er fort: »Allerdings kann ich nur für mich selbst sprechen, nicht für alle Angehörigen meines Volkes.«
Kimue verstand sofort, worauf er hinauswollte, schließlich gab es nur zwei Seth, die den Untergang ihrer Kultur überlebt hatten.
»Hatra!« Sie spie den Namen regelrecht aus, als verursache er einen schlechten Geschmack auf ihrer Zunge. Die regelmäßigen Besuche der Hexe in den Gemächern des Königs waren Tagesgespräch in Myandor. Natürlich war das Kimue und
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