Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
auf. „Besuchen Sie uns, wann immer es Ihnen einfällt, Ezekiel.“
„Mach ich, Mrs. Routhland, mach ich gern.“ Damit verbeugte er sich steif, ging zu dem Boot hinunter, sprang mit der Behendigkeit eines jungen Mannes hinein und griff nach dem Ruder.
„Ezekiel“, rief Royal Routhland ihm noch nach, „seien Sie nur ja vorsichtig. Gehen Sie kein Risiko ein wegen Murdock!“
„Keine Angst, ich paß schon auf, Mrs. Routhland. Wiedersehen!“
Royal blickte ihm nach, wie er stromaufwärts paddelte, und wandte sich dann wieder an John Bartholomew. „Würden Sie mir jetzt bitte mein Zimmer zeigen. Ich habe ein Bad dringend nötig.“ Sie dachte flüchtig nach. „Es wird sich wohl auch etwas zum Anziehen finden, bis meine eigenen Kleider aus Savannah anlangen.“
„Ihr Gepäck steht schon oben, Madam, und die Mädchen sind beim Auspacken.“
„Das hätte ich mir denken können.“ Seine Aufmerksamkeit tröstete sie ein wenig. „Sie haben schon immer an alles gedacht.“
Er bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr Lob ihn freute, und verbeugte sich. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Madam.“
Sie konnte nicht ahnen, daß John Bartholomew darauf bestanden hatte, sie selbst mit der neuen Umgebung vertraut zu machen, da sie auf dem ganzen Besitz nur ihn kannte. Und sie wußte auch nichts von den sieben schwerbewaffneten Wächtern, die das Haus Tag und Nacht abschirmten und es Vincent Murdock unmöglich machen würden, sich Royal noch einmal zu nähern. Während sie neben John Bartholomew die Treppe hinaufschritt, überlegte Royal. Wohl fühlte sie sich als Eindringling in Damon Routhlands Welt, und sie war fest entschlossen, nur so lange zu bleiben, bis Murdock gefaßt war. Dann würde sie den Landsitz umgehend verlassen.
Vor einer hohen Doppeltür blieb John stehen. „Ich habe Sie im Herrschaftsflügel untergebracht, Madam.“
„Ich stelle keine großen Ansprüche, John“, sagte sie abweisend. „Ein freies Gästezimmer würde mir genügen.“
Er schaute sie eine Weile an und wußte besser, was in ihr vorging, als sie sich vorstellen konnte. Endlich verbeugte er sich. „Wie Sie wünschen, Madam, ich werde mich darum kümmern.“
Nach diesem ziemlich unauffälligen Einzug Royal Routhlands auf Swanhouse Plantation schlich die Zeit dann recht ereignisarm dahin. Royal wartete auf eine Nachricht von ihrem Mann, die ausblieb, und die Stille, die ungestört über dem riesigen Herrenhaus lastete, begann sie zu bedrücken. Sie wußte, daß diese trügerische Ruhe nur zu schnell von den Kriegswirren unterbrochen werden konnte, die ganz in der Nähe mit unverminderter Härte tobten.
Gelegentlich wurden Gerüchte laut, die Leute in der Armee des Generals Washington desertierten scharenweise, weil man ihnen seit längerem die Besoldung schuldig geblieben sei, oder meuterten offen. Die Leute waren zu verstehen. Sie waren es müde, in einem Kampf zu sterben, bei dem die Engländer unzweifelhaft im Vorteil waren. Sie beherrschten die Küste, die Häfen und damit das Meer. Fast der gesamte Süden fügte sich unter der britischen Besatzung.
Lange schon hatte man das Haus in Savannah mit Brettern zum Schutz vernagelt und das Ehepaar Beemish auf den Landsitz geholt. Im Handumdrehen hielt Alba die Zügel des großen Anwesens in den Händen, und alle schienen davon sehr angetan. Tobias war die Aufsicht über die Gärten und Anlagen zugefallen. Er war sichtlich froh, den Großteil der Zeit im Freien zubringen zu können. So hatte jeder seine Aufgabe und stand auf seinem Platz. Nur Royal Routhland mußte erst herausfinden, wohin sie eigentlich gehörte.
*
An einem besonders kalten Tag stürmte Tobias Beemish aus den Stallungen und rief lauthals nach seiner Herrin. Sie erschien auf der Veranda, die nach hinten hinausging, und sah, daß der alte Mann vor Freude strahlte. Sein Atem dampfte in der frostigen Luft.
„Nanu, Tobias, was gibt es denn?“ erkundigte sich Royal und mußte lächeln über die so offensichtliche Begeisterung des Getreuen.
„Das raten Sie nie, Miss Royal. Etwas ganz und gar Wunderbares ist geschehen.“
Alba trat aus der Tür und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. Hatte Tobias den Verstand verloren, so nach der Herrin zu brüllen? „So sag uns doch erst einmal, was denn gar so wunderbar ist“, tadelte sie ihren Mann scharf.
„Zwei Männer haben gerade ein Pferd vom Hafen gebracht. Sie behaupten, es sei mit dem Schiff aus England
Weitere Kostenlose Bücher