Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
daß er ihr die gleichen Gefühle entgegenbrachte wie sie ihm.
Sie hörte, wie die Hüttentür ins Schloß fiel und wenig später den Hufschlag, der sich schnell entfernte. Man brauchte Royal nicht zu sagen, daß Damon gegangen war, ohne ihr Lebewohl zu sagen. Und das tat weh, bitter weh.
Nach einer Weile erst wischte Royal sich die Tränen ab, öffnete die Tür und trat hinaus in den angrenzenden Raum.
Mit stolz erhobenem Kopf und trotziger Miene stand sie da und sah Ezekiel Elman, der vor dem Kamin kauerte und die Glut schürte.
Er drehte sich um und grinste fröhlich. „Einen schönen guten Morgen, Mrs. Routhland. Wie wär’s mit einer Tasse ganz heißem Kaffee? Ich brau Ihnen einen.“
„Mr. Routhland ist schon fort, nicht wahr, Ezekiel?“
In den Augen des alten Mannes lag plötzlich etwas wie Anteilnahme. „Ja, er hat gesagt, er müsse zurück zu seiner Einheit, und ich solle Sie nach Swanhouse Plantation bringen, Mrs. Routhland.“
„Ich möchte lieber nach Savannah, Ezekiel. Würden Sie mich nach Hause begleiten?“
Er schaute sie nachdenklich an. „Das geht nicht. Master Damon hat mir aufgetragen, Sie in Sicherheit zu bringen, wegen Vincent Murdock. Vielleicht treibt er sich noch immer in der Gegend rum, Mrs. Routhland.“
„Gut, dann werde ich eben erst einmal nach Swanhouse Plantation gehen.“ Royal seufzte und fügte sich in ihr Schicksal. „Aber ich bleibe dort nur, bis mir von Murdock keine Gefahr mehr droht.“
„Sie sind eine vernünftige Frau, Mrs. Routhland“, lobte Elman.
„Hören Sie, Ezekiel, Sie kennen und bewundern meinen Mann sehr. Können Sie mir helfen, ihn besser zu verstehen?“ bat sie den alten Mann.
„Ich kenne ihn, seit er ein kleiner Junge war. Da gibt es nicht viel zu verstehen, Mrs. Routhland. Ist ein Gentleman, ein Ehrenmann und aufrichtig. Er tut nur, was für Sie am besten ist. War sehr gescheit von Master Damon, Sie zu heiraten. Seine klügste Entscheidung überhaupt, meine ich.“
Sie lächelte ihm zu. „Danke, Ezekiel. Freilich bezweifle ich sehr, daß er auch dieser Ansicht ist.“ Sie verschwieg, daß sie die Gründe mit angehört hatte, die Damon Routhland für das Zustandekommen dieser Ehe angeführt hatte. „Gehen Sie nachher auch zu meinem Mann?“
„Nein. Ich muß noch einmal in die Sümpfe, mich um Murdock kümmern. Wir wollen immer wissen, wo er ist und was er gerade tut, ich und Master Damon.“
Sie hatte sich an den Tisch gesetzt und trank den heißen Kaffee in kleinen Schlucken. Er war stark und belebte Royal. Wenig später schob Ezekiel Elman das leichte Boot ins Wasser, und sie schaute sich noch einmal in dem Zimmer um, in dem sie in der vergangenen Nacht so glücklich gewesen war. Hier war sie Damon Routhlands Ehefrau geworden. Und heute? Heute morgen war sie wieder allein und verlassen. Die Kahnfahrt den Canoochee River hinunter nach Swanhouse Plantation verlief ohne Zwischenfalle. Dort hatte man Royal zu ihrer größten Überraschung bereits erwartet. Am Fuß der Freitreppe stand John Bartholomew hölzern und mit seiner üblichen Amtsmiene. Wenn er Royals ungewöhnlich ärmlichen Aufzug mißbilligte, so war es ihm nicht im mindesten anzumerken. Nur das Leuchten in den Augen verriet, wie sehr er sich freute, daß Royal als Herrin auf Swanhouse Plantation einzog.
„Willkommen, Mrs. Routhland“, sagte er scheinbar gleichmütig. „Es ist mir eine große Ehre, Sie auf Swanhouse Plantation begrüßen zu dürfen, und das kann ich von uns allen sagen. Wir sind so froh, daß diese schreckliche Zeit hinter Ihnen liegt.“
Royal reichte ihm die Hand und nickte ihm freundlich zu. „Danke, John.“ Damit ließ sie sich von ihm die breiten Stufen hinaufgeleiten. Die Sklaven und anderen Bediensteten, die zu beiden Seiten in je einer Reihe standen, kannte sie zwar nicht, doch alle schienen die junge Herrin herzlich zu empfangen.
„Ich nehme an, John, meine Haushälterin und ihr Mann sind davon unterrichtet, daß ich fürs erste hier wohnen werde.“
„Selbstverständlich, Madam. Mr. Routhland hat noch an die beiden geschrieben. Der Brief ist heute morgen abgeliefert worden.“
Ezekiel Elman drehte seine Kappe in den Fingern und machte einen ungewöhnlich traurigen Eindruck. „Ich gehe jetzt, Mrs. Routhland. Wenn Sie mich brauchen sollten, so weiß Mr. Bartholomew, wo er mich finden kann.“
Der gutherzige, wenn auch äußerlich rauhe alte Mann würde ihr fehlen. Royal streckte ihm beide Hände hin, und seine Augen strahlten wieder
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