Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
An Gegenwehr war nicht zu denken. Sosehr Royal sich aus der Umarmung zu befreien strebte, er hielt sie fest, als wollte er ihr die Seele aus dem Leib küssen. Royal glaubte schon, ersticken zu müssen, da ließ er sie unerwartet los, der Druck seiner Lippen wurde sanfter. Nun begann er, ihre Brüste zu streicheln, und die heiße Welle, die Royal durchflutete, nahm ihr nicht nur jeden Willen zum Widerstand, sondern löschte auch die Gedanken aus. Sie wollte sich nur mehr den sinnlichen Empfindungen überlassen, die seine Liebkosungen in ihr erregten.
„Das“, flüsterte er dicht an ihrem halbgeöffneten Mund, „genau das ist es, was Sie und ich wollen, wozu Sie zu mir gekommen sind.“
„Nein, es darf nicht sein.“
„Doch, es soll so sein. Denn es ist uns beiden so bestimmt, und deshalb wird es auch geschehen. Beim ersten Sehen habe ich gewußt, daß es dazu führen wird, und auch Sie haben es gespürt.“
Royal seufzte und ließ den Kopf kraftlos gegen Damon Routhlands Schulter sinken. „Sie irren sich, Damon, glauben Sie mir. Bei unserer allerersten Begegnung haben Sie keineswegs so gedacht.“
„Nicht schon wieder das Spiel!“
„Nein, ich hätte es nicht so weit treiben dürfen.“
Er schwieg, ließ den Blick forschend über ihre Züge gleiten und schüttelte den Kopf. Nichts regte sich in der Erinnerung. Er war fest überzeugt, daß sie einander vor jenem Ball niemals begegnet waren. Langsam wurde er unsicher, weil sie so darauf bestand, daß sie einander von früher kennen sollten.
„Damon“, schrie Royal plötzlich herzzerreißend auf und wand sich aus seinen Armen. „Haben Sie mich immer noch nicht wiedererkannt? Denken Sie doch nach, ich flehe Sie an. Sie müssen sich an mich erinnern.“
Er schaute sie ratlos an. „Nein, zum Teufel noch mal, ich habe Sie nie vorher gesehen. Denken Sie wirklich, ich hätte Sie dann jemals vergessen können?“
Traurig ließ sie die Schultern sinken. „Damals haben Sie mir versprochen, mich nie zu vergessen, und ich habe es geglaubt. Vier Jahre lang habe ich es geglaubt, aber Sie haben es doch getan. Vier Jahre lang habe ich jeden Tag sehnsüchtig auf einen Brief, auf ein Wort von Ihnen gewartet. Aber Sie, Damon, Sie haben mir kein einziges Mal geschrieben, auch wenn in Ihrem Auftrag Briefe und Geschenke nach London kamen.“
Damon Routhland war es, als hätte ein Blitzstrahl vor ihnen in den Boden geschlagen, so jäh und grell stand eine nächtliche Begegnung in Savannah vor seinem inneren Auge, ein kleines Mädchen, verzagt und verloren. Er schluckte und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Gütiger Himmel“, stieß Damon Routhland hervor und trat einen Schritt zurück. „Sie sind Royal Bradford.“
10. KAPITEL
In Damon Routhlands Augen flackerte plötzlich der Zorn.
„Wie konnten Sie es wagen, mir so mitzuspielen? Kennen Sie mich so schlecht, daß Sie mir zutrauen, ein halbes Kind zu schänden?“ Er wandte sich ab und ging zum Fenster hinüber. Dort stand er und sah blicklos hinaus. „Wenn ich daran denke, was ich in jener Nacht getan habe, was hätte geschehen können …“ Er schüttelte den Kopf, konnte es nicht fassen, daß die hinreißende Frau, nach der er geradezu besessen verlangte, das elternlose und verzagte Kind sein sollte, das man seiner Fürsorge anvertraut hatte. Er schloß die Augen und zwang sich, die Erinnerung an ihren vollendet gerundeten Körper zu verdrängen. Er mußte vergessen, daß er beinahe den Kopf verloren hätte. Wie gut, daß man sie gerade noch gestört hatte, bevor er …
Krampfhaft bemüht, Ordnung in seine verwirrenden Gedanken zu bringen, wandte er sich wieder an Royal.
„Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht junge Dame?“ fragte er außer sich, ganz der strenge Vormund.
Royal machte vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. „Nun ist Ihnen doch endlich aufgefallen, daß ich kein Kind mehr bin, Damon. Ich bin erwachsen geworden, während Sie das gar nicht bedachten, weil es Sie nichts anzugehen schien. Vier Jahre sind eine lange Zeit, Damon.“
„Für mich sind Sie immer noch ein Kind, Royal.“
„In der Nacht nach dem Ball hatte ich aber keineswegs diesen Eindruck. Und auch nicht vor ein paar Minuten.“
„Das versuche ich eben gerade zu vergessen.“ Er stöhnte, der Verzweiflung nahe. „Und ich kann einfach nicht begreifen, was Ihnen bloß eingefallen ist, sich so schändlich zu benehmen. Hat man Sie denn nichts Besseres gelehrt an dieser Schule?“
„Das hätten Sie früher fragen
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