Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
wiederholte hilflos: „Ich will sehen, was ich tun kann. Natürlich bereue ich schon jetzt, daß ich mich überhaupt darauf einlasse.“ Er seufzte.
Nun erst bemerkte Royal die Linien der Erschöpfung um Augen und Mund, ahnte, was Damon Routhland leiden mochte wegen dieses unseligen Krieges.
Wieder hing ein Schweigen im Raum, bevor Royal von neuem die Worte fand.
„Wenn Sie Preston für mich finden, werde ich Ihnen nie wieder zur Last fallen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Sie können sich dessen sicher sein.“
Er strich sich müde über die Stirn. „Vergessen Sie nicht, Royal, daß Sie bis zu Ihrer Eheschließung mein Mündel sind. Und das ist keine geringe Last. Es fangt schon damit an, daß ich nicht weiß, wohin mit Ihnen, nun, da Sie einmal hier sind. Ich kann Sie nicht einmal nach Swanhouse schicken.“
„Ich werde in mein eigenes Haus in Savannah zurückkehren und dort auf eine Nachricht von Ihnen warten.“
„Heißt das, unsere Feinde wissen, daß Sie auf meine Hilfe zählen?“
„Natürlich nicht“, gab sie entrüstet zurück. „Ich würde niemals Ihren Namen nennen. Ebensowenig, wie ich unsere Leute an Sie verraten würde.“
Lag da nicht ein Ausdruck von Schmerz in den goldbraunen Augen? Nein, sie mußte sich geirrt haben. Damon war nur nachdenklich geworden.
„Eigentlich sind Sie zu beneiden, Royal. Sie sitzen gleichsam unbekümmert auf der Mauer zwischen England und Amerika, lehnen sich weder nach der einen noch nach der anderen Seite und lächeln nach beiden hin. Ich frage mich nur, wie lange Sie da oben sicher sind? Eines Tages könnte es doch sein, daß man Sie herunterholt und vor eine Entscheidung stellt.“
„Ich sitze auf meiner Mauer, wie Sie es ausdrücken, keineswegs unbekümmert. Es ist teuflisch, auf beiden Seiten Recht und Unrecht zu sehen. Savannah werde ich bald schon für immer verlassen, und bis dahin möchte ich meine Anschauung nicht aufgeben.“
„Anschauung? Vergessen Sie nicht die grauenhafte Wirklichkeit des Krieges. Täglich sterben Männer für etwas, an das sie glauben, und wir Amerikaner haben für unsere Anschauung schon einen recht hohen Preis bezahlt.“
„Auch als Frau kann ich verstehen, daß jede Überzeugung ihren Preis hat.“
„Denken Sie dabei an diesen englischen Lord?“
„Auch an Preston, ja.“
In diesem Augenblick fühlte sie sich wie das kleine Mädchen von damals vor vier Jahren, tiefbetroffen von dem, was um sie her vorging.
Damon konnte sich der Rührung nicht ganz erwehren, die er spürte. „Ich nehme an, Sie haben einen Passierschein, um unangefochten durch die britischen Linien zu kommen?“ Er sah Royal forschend an.
„Ja“, gestand sie und hielt den Blick beharrlich zu Boden gerichtet. „Colonel Campbell hat ihn eigenhändig unterschrieben.“
„Und wie haben Sie es fertiggebracht, unsere Wachposten zu umgehen?“ forschte er unbewegt weiter.
„Auch für diesen Fall habe ich einen Paß, einen gefälschten.“
Damon Routhland schien bekümmert. „Sie haben sich da auf ein gefährliches Spiel eingelassen, Royal. Vergessen Sie nicht, man kann im Leben niemals mehr geben, als man hat.“ Unvermittelt wandte er sich zur Tür. „Ich muß jetzt gehen. Ich werde es Sie wissen lassen, wenn ich Preston Seaton gefunden habe.“
Royal streckte ihm die Hände nach, doch er hatte schon die Tür aufgestoßen. Wortlos stülpte er sich den Dreispitz auf den Kopf und verschwand im Regen. Noch eine ganze Weile stand sie am Fenster und schaute trostlos hinaus.
„Nein, Damon“, sagte sie schließlich. „Ich gebe schon weitaus mehr, als ich habe. Ich habe Sie gebeten, einem Engländer beizustehen, und Sie damit zutiefst in Ihrem Inneren verletzt. Dabei habe ich mir selber sehr weh getan.“ Würde Damon Routhland ihr jemals vergeben, was sie von ihm verlangt, was sie ihm angetan hatte? Würde er sie jemals wieder achten können?
Dieselbe Frage stellte sich Royal Bradford wenig später im Kontor von Mr. Oliver Greenburg. Mit gefurchter Stirn sah sie ungläubig zu ihm auf. Sie konnte nicht verstehen, was sie eben gehört hatte. Der Advokat ihres Vaters behauptete, daß kein Barvermögen da sei, und weigerte sich zu erklären, wie es dazu habe kommen können.
Sie schüttelte den Kopf. „Mr. Greenburg, ich habe mich nie um das Finanzielle gekümmert. Ich hatte nicht daran gedacht, daß ich über meine Verhältnisse leben könnte.“
Der Advokat hatte längst begriffen, daß Damon Routhland Miss Bradford verschwiegen hatte,
Weitere Kostenlose Bücher