Baphomets Bibel
sagen, Denise?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Hat dein Bruder nicht gesagt, wo er sich mit diesem Unbekannten treffen will?«
»Keine Ahnung.«
Ich bedrängte Denise Blanc. »Bitte, versuchen Sie sich zu erinnern. Ihr Bruder kann nicht nur geschwiegen haben.«
»Hat er aber!«
Ich gab trotzdem nicht auf. »Sind Sie denn nicht neugierig geworden? Und haben Sie nichts gegen diese Neugierde getan?«
»Nur gefragt. Mehr nicht.« Sie senkte nach dieser Antwort den Kopf und wirkte schuldbewusst. »Nun ja, einmal, als er ging, habe ich mich an seine Fersen geheftet. Ich kam vom Einkaufen. Da sah ich, dass er das Haus verließ. Er benahm sich wie ein Dieb, der schnell verschwinden will. Ich konnte ihm ein Stück nachgehen, weil ich davon überzeugt war, dass er sich wieder mit diesem fremden Menschen treffen wollte. Aber ich habe ihn nicht bis zu seinem Ziel verfolgen können.«
»Die Richtung kennen Sie aber – oder?«
»Ja, schon. Er ging zur Kathedrale. Aber er betrat sie nicht. Ich verlor ihn im Wirrwarr der Schuppen und kleinen Häuser, die allesamt zur Dombauhütte gehören.«
»Dann könnte er sich dort also getroffen haben?«
»Das ist möglich.«
Ich sah Jaques an. »Was meinen Sie dazu?«
Der Priester überlegte. Seine Oberlippe hatte er vorgeschoben. Dann lächelte er. »Tja, das ist natürlich schwer. Die Menschen, die auf diesem Feld arbeiten, sind integer. Ich glaube nicht... aber man kann ja nie wissen.«
Da hatte er Recht, und deshalb blieb ich auch am Ball. »Könnte es denn dort einen Hinweis geben?«
»Das ist schwer zu sagen. Dass jemand von den Mitarbeitern der Hütte sich gegen...«
»Nein, nein, so meine ich das nicht. Ich denke eher an ein Versteck.«
Jaques räusperte sich. »In der Hütte, meinen Sie?«
»Ja.«
»Kaum.«
»Kennen Sie diesen Arbeitsplatz denn?«
»Nicht ganz genau. Ich bin dort gewesen. Es gehört ja alles zur Kathedrale. Auch dieser alte Brunnen...«
Ich horchte auf. »Brunnen?«
»Klar. Ein Relikt aus alter Zeit. Schon ganz früher gab es einen Brunnen. Er soll von Druiden gebaut worden sein. Ob es stimmt oder eine Sage ist, weiß ich nicht. Allerdings ist der Brunnen, den ich meine, später angelegt worden.«
»Ist er denn noch mit Wasser gefüllt?«
Da brauchte der Priester nicht lange zu überlegen. »Nein, das ist er nicht. Man hat ihn gelassen. Gewissermaßen als Dokument der Zeitgeschichte.«
In mir festigte sich immer stärker der Verdacht, dass dieser Brunnen eine große Rolle spielen konnte. Und das sagte ich dem Mann an meiner Seite auch.
»Darauf kann ich Ihnen leider keine Antwort geben, John. Das kann sein, muss aber nicht.«
»Dann werden wir es überprüfen.«
Seine Augen weiteten sich für einen Moment. »Sie... äh... Sie wollen wirklich dorthin gehen und...«
»Ja, das habe ich vor. Ich will mir diesen Brunnen ansehen. Es ist eine Spur.«
Jaques’ Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Gut«, sagte er, »dann werden wir es versuchen.«
Ich war froh, dass er an meiner Seite blieb. Er war der Fachmann und kannte sich aus. Als wir uns von Denise Blanc verabschiedeten, da schimmerten Tränen in ihren Augen. Sie schluckte ein paar Mal und sprach dann davon, dass wir alles tun sollten, um ihren Bruder zu schützen, damit ihm nichts passierte.
»Keine Sorge, es wird sich regeln«, beruhigte ich sie.
Sie ging neben uns her bis in den Hausflur, in dem es nach Putzmitteln roch. Sprechen konnte sie nicht mehr. Und ihr Lächeln beim Abschied war mehr als zaghaft.
»Und, John, was sagen Sie?«
Ich runzelte die Stirn. »Es ist nicht einfach, das gebe ich zu. Aber es ist eine Spur, das sollten wir nicht vergessen, und ich könnte mir vorstellen, dass wir auf der richtigen Seite stehen.«
»Dann schauen wir uns den Brunnen an.«
Ich hatte das Fahrzeug schon geöffnet, als mir noch eine Frage einfiel. »Sagen Sie, Jaques, wird dort um diese Zeit noch gearbeitet?«
»Nein, ich glaube nicht. Nur wenn wirklich Arbeiten ganz dringend sind, zieht man Überstunden durch.«
»Dann hoffe ich, dass dies heute nicht der Fall ist.«
»Wir werden sehen...«
***
Es brannten nur wenige Lichter, als wir das Gebiet der Hütte nahe der Kathedrale erreichten. Der Himmel hatte sich mittlerweile mit einem grauen dunklen Vorhang bezogen. Wolken schoben sich sehr langsam darüber hinweg. Mond und Gestirne waren nicht zu sehen. Die relativ wenigen Touristen hatten sich aus der Stadt zurückgezogen, und so konnte Chartres aufatmen.
Wir hatten auch hier
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