Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
Eßtisch und der Spülbank, breitete sich eine Blutlache aus. Ein Mann lag darin; seine Brust war von einem Messer geöffnet. Umgestürzte Stühle und zerbrochenes Geschirr bedeckten den Boden. Neben dem Toten kauerte ein älterer Mann; sei ne Augen waren wirr, und Speichel tropfte ihm aus den Mundwinkeln, rann über das Kinn, hing in Fäden herab; Hals und Kleidung waren von Erbrochenem besudelt. Mehre re Männer, alle jünger, standen um ihn herum, mit Messern in den Fäusten.
Dieser Gruppe gegenüber hatten sich etliche Frauen aufgebaut; auch sie mit Messern. Eines der Messer war rot, und die junge Frau, die es hielt, atmete schwer, mit einem knurrenden Keuchen. Ihre Augen waren blutunterlaufen, Spuren von Erbrochenem auf ihrer weißen Tunika.
Später erfuhr Tremughati die Einzelheiten (der wirre, äl tere Mann gehörte zu einem Trupp, der die von den Müttern für ihre Schiffbauten abgeholzten Wälder neu anlegen sollte; er hatte hastig und unkontrolliert sein Essen heruntergeschlungen und sich über die junge Frau erbrochen; als diese ihn anschrie, beschimpfte und fortstieß, war der Mann, der nun in seinem Blut lag, ihm zu Hilfe gekommen …), aber zunächst kümmerte sie sich nicht um Ursachen.
Mit ihr trat auch Stille in den großen Raum; nur das Wimmern des Mannes und das knurrende Keuchen der jungen Frau waren zu hören. Irgendwo tropfte Wasser.
Die übrigen starrten Tremughati an. Einen Moment lang war es, als ändere sich mit ihrem Eintreten die Gravitation im Gemeinschaftshaus. Sie schien zu schweben, biegsam, groß und schlank, in ihrem knielangen hellen Kleid. Die nackten Arme und Beine schienen sich nicht zu bewegen, das olivfarbene Gesicht schien unbewegt, die bloßen Füße schienen den Boden nicht zu berühren; dennoch bewegte sie sich vorwärts, und es war, als sei dort, wo sie sich befand, das Zentrum aller Schwerkraft, das alle Blicke, alle Köpfe anzog. Nur der Tote, der Kauernde und die Keuchende blieben frei von diesem Einfluß, gefangen in ihrer jeweili gen eigenen Sphäre.
Tremughati trat zu den Frauen. Sie hob nicht die Stimme. Auf Galaktein sagte sie halblaut, aber vernehmlich: »Das ist mein Kind; ich liebe es.« Dabei berührte sie den Hals der verkrampften Frau; absichtlich verwendete sie »es«, das geschlechtsneutrale lo . Unter Tremughatis Berührung schien die Frau aus ihrem Rausch zu erwachen. Tremughati faßte die Klinge des blutigen Messers; der klammernde Griff löste sich, die Frau gab das Messer frei.
Tremughati wandte sich um; alle konnten sie sehen, als sie in die Mitte zwischen die Gruppen trat. Sie hob das Messer hoch, führte es an ihre Stirn, beide Wangen, legte es an ihre Lippen und wischte das restliche Blut an ihrem Kleid ab, über dem Herzen. Sie trat zu dem kauernden, wirren Mann, beugte sich vor, legte eine Hand auf seinen Kopf, wischte ihm mit der anderen den Speichel vom Kinn und sagte wieder: »Das ist mein Kind; ich liebe es.«
Dann trat sie zu dem Toten; sie kniete in der Blutlache nieder und bettete den Kopf des Erstochenen in ihren Schoß. Das Messer legte sie auf die Brust des Mannes. »Das war mein Kind«, sagte sie; »ich habe es geliebt.«
Sie wandte sich der jungen Frau zu, die aus Zorn und Blutrausch auftauchte und mit flackernden Augen um sich sah. »Komm, Kind«, sagte sie. »Das Blut, das du trinken wolltest, ist von deinem Messer auf meine Lippen und mein Herz gekommen. Küß mich.« Langsam, zögernd näherte sich die junge Frau und kniete neben Tremughati nieder. Sie schloß die Augen; ihre Lippen bebten.
Die ganze Nacht brannte das Feuer auf dem Platz im Herzen des Dorfs. Tremughati saß mit dem Ermordeten im Schoß; die ganze Nacht saß die Mörderin neben ihnen, und immer weitere zwei Frauen und zwei Männer, die abgewechselt wurden. Tremughati schwieg, also schwiegen auch die anderen.
Am Morgen stand die ehemalige Fürstin auf. Niemand hätte ihr ansehen können, daß sie die Nacht ohne Schlaf verbracht hatte. Scheinbar mühelos nahm sie den Leichnam auf die Arme. Dann bedeutete sie der Mörderin mit einer stummen Geste, anzufassen. Gemeinsam legten sie den To ten auf den Holzstoß, der immer wieder neu angefacht worden war.
Später, lange nach Sonnenaufgang, kam Tureela in Tremughatis Zelt. Sie trat leise auf und näherte sich der Lagerstatt.
»Was ist, Tureela?« Tremughati blickte sie an; sie schien noch immer nicht geschlafen zu haben.
Tureela ging in die Hocke und schlug die Augen nieder. »Sie haben mich geschickt«,
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