Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
Shilgat war Sommer; hier unten herrschte milder Winter. Segrest war unbedeutend; es lag etwa auf 55 0 südlicher Breite an der Westküste des Südkontinents, der hier eine – gemessen an planetaren Maßstäben – dünne Halbinsel bildete. Die Westküste erstreckte sich noch fast 1000 Kilometer weiter nach Süden, in den subarktischen Bereich hinein. Dort lag Kap Tagga, das Südkap, mit einigen öden Inseln. Auf der Höhe von Segrest durchmaß die »Halbinsel« etwa 300 Kilometer – eine Bergkette, abfallen de Plateaus, ein Sumpfgürtel, dann wieder Küste.
In einer Verhandlung, von der sie nichts sahen und hörten, wurden alle Sklaven einem Händler übergeben, der eine Ladung Robbenfelle, Trockenfisch und Schildpatt zum Ha fen Lorgan, an der Ostküste, brachte. Am folgenden Tag brach die Karawane auf; die Sklaven wurden locker aneinandergekettet, so daß sie sich zwar bewegen, nicht aber fliehen konnten, und zwar immer in Gruppen zu zehn Frauen und Männern etwa gleicher Körpergröße. Die Karawane setzte sich aus Packtieren, Karren und Sklaven sowie berittenen Händlern und Treibern zusammen.
In gemächlichem Tempo durchquerten sie die Halbinsel. Die Sklaven wurden weder gut noch schlecht behandelt. Manchmal wurde einer krank, meistens fußkrank; dann wurde die Verkettung gelöst, und der oder die Kranke reiste bis zur Genesung auf einem Karren.
Die Bergkette stellte kein großes Hindernis dar; der Paß lag etwa 1500 m über NN. Karge Vegetation, beständiger Nieselregen und die Ausdünstungen der P’aodhus waren das einzig Erwähnenswerte an der Reise. Dante lernte etliche Marschlieder kennen, die die Fortbewegung ein wenig er leichterten. Die meisten von ihnen waren vielstrophig, episodenhaft und burlesk oder obszön.
Barakuda rutschte auf einem Stein aus und begann zu humpeln. Der Sklaventrupp stockte. Einer der Aufseher kam und starrte mißvergnügt auf Barakudas Beine. Dann winkte er einem zweiten Mann, der einen Schlüssel von seinem Gürtel nahm, Barakudas Kette öffnete und den Humpelnden stützte. Ein Karren wurde angehalten, auf dem bereits ein Sklave lag.
Der Mann hatte eine häßliche Wunde am rechten Oberschenkel; auch er war ausgerutscht, gestürzt und hatte sich an einem scharfkantigen Stein das Fleisch aufgerissen.
Der Treck setzte sich wieder in Bewegung. Dante bettete sich auf Felle und Decken und begann ein Gespräch mit dem Leidensgenossen.
Abends kampierten sie in einem kleinen Seitental, begrenzt von schroffen Vorsprüngen und Steilwänden; als bei Sonnenuntergang die Wolken kurz aufrissen, sah Dante, daß sie etwa die halbe Höhe zwischen Paß und Ebene erreicht hatten.
Feuer wurden angezündet, Essen in großen Bottichen bereitet; nach Einbruch der Dunkelheit warfen die Flammen huschende Schatten auf die nackten Felswände. An einer Stelle, am Ende des Einschnitts, war der Beginn eines en gen, steilen Pfads zu sehen gewesen; nun herrschte dort finsterste Dunkelheit.
Der Sklave mit dem wunden Oberschenkel sprang plötz lich auf und lief schreiend durchs Lager. Immer wieder heul te er schrill, brüllte seine Angst in die Nacht, warnte vor giftigen Flugschlangen. Zunächst dachte niemand daran, daß diese Reptilien so weit im Süden nicht existierten. Sklaven zeterten, Wächter, Treiber und Händler rannten hin und her, versuchten, die aufgebrachten Menschen zu beruhigen, den durch das Lager tobenden Sklaven einzufangen, dem sich inzwischen andere Verletzte angeschlossen hatten.
Endlich kehrte Ruhe ein. Durchdringendes Stöhnen und ein erstickter Hilfeschrei alarmierten die Wächter erneut. Sie fanden einen Händler, der sich den Kopf hielt. Man hatte ihn niedergeschlagen; als er an sich herumtastete, stellte er fest, daß sein Geldbeutel und sein Messer fehlten.
Mit Erleichterung bemerkte Dante, daß das Getöse noch anhielt. Er hatte die Hälfte der im letzten Licht erblickten Kletterstrecke zurückgelegt und wußte nicht, worauf er sich einließ, wohl aber, wovor er floh.
Auf einem winzigen Vorsprung machte er eine Pause, bis seine Atmung sich beruhigte. Weit unten sah er die Feuer des Lagers, in dem wieder Stille herrschte, die jählings von neuem Durcheinander gesprengt wurde. Er lächelte grimmig in die Nacht, überprüfte die Riemen des Geldbeutels und der Messerscheide an seinem Gürtel; dann klomm er weiter.
Nach kurzer Zeit hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt. Zwar konnte er nie mehr als zwei oder drei Meter weit sehen, aber das reichte, um ihm das
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