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Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Titel: Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Wichtigeres.
    Behutsam schlich sie vorwärts. Manchmal blieb sie ste hen, ließ das Tier einige Minuten grasen oder einfach ruhen; dann wieder ging sie ein wenig seitwärts. Sie hoffte, auf die se Weise eventuellen Beobachtern nicht aufzufallen. In ihrem dunklen Zeug war sie kaum auszumachen; sie bewegte sich tief gebeugt. Wer den See und die Pferde sah, falls er nachtsichtig war, der konnte kaum mehr als ein weiteres Pferd erblicken, das sich langsam zwischen den anderen Tie ren hindurch von Norden nach Süden bewegte.
    Für die Strecke von 600 Metern brauchte sie fast drei Stunden. Endlich erreichte sie das Ende des Sees, wo das Wasser ebenso jäh versickerte wie es aus dem Boden getreten war. Noch ein paar Meter bis zu den Hügeln.
    Endlich konnte sie aufsitzen. Sie ritt noch eine Stunde weiter, dann fühlte sie sich sicher genug, um ein wenig zu schlafen.
    Zwei Tage lang ritt sie durch verlassenes Land. Hier gab es kleinere Wildtiere und viele große Vögel, aber beim Gedanken an Fleisch wurde ihr übel. Am dritten Tag, nachdem sie den See passiert hatte, trat das Pferd während einer lan gen Galoppstrecke in ein verdecktes Loch und überschlug sich. Toyami wurde vom Rücken des Tieres geschleudert. Der Wasserschlauch, den sie mit Stücken aus ihrer Jacke und Fetzen ihrer Hose um den Hals des Reittiers gebunden hatte, platzte; den Bogen verlor sie beim Sturz, und die Pfeile schossen aus dem Köcher und verteilten sich in der Steppe.
    Das Pferd wälzte sich, schlug aus und schrie. Es war kein Wiehern, sondern ein Schmerzensgeschrei, das Toyami er schauern ließ. Das rechte Vorderbein war gebrochen; wahrscheinlich waren auch noch Muskeln und Sehnen gerissen. Als sie näher trat, richtete das Pferd die Augen auf sie und lag einen Moment still. Toyami kauerte neben dem Kopf des Tieres nieder, tätschelte ihm den Hals und tastete nach den Adern. Dann zog sie das Messer.
    Eine halbe Stunde suchte sie die Pfeile zusammen. Als sie weiter nach Süden ging, schlotterte die zerschnittene Jacke um ihre abgemagerte Gestalt. Der Hut saß im Nacken wie ein verbogenes, undichtes Schneckenhäuschen. Die Sohle des rechten Stiefels war vorn gelöst und schlappte bei jedem Schritt; die Hose bestand aus Fetzen und Fäden. Am Gürtel hing der Dolch in seiner Scheide, daneben der volle, aber völlig nutzlose Geldbeutel. Das dunkle Baumwollhemd war verklebt und stank, aber Toyami nahm es längst nicht mehr wahr. In den Jackentaschen steckten ihre restlichen Vorräte: drei Handvoll Körner und ein Stück panyám . Über der linken Schulter trug sie die halbvolle Wasserflasche und den Bogen, über der rechten den Köcher. Bei Einbruch der Nacht las sie aus den Sternen, daß sie etwa 300 Kilometer Steppe, Wüste und Feinde vor sich hatte, wenn sie zur Südgrenze kommen wollte. Erschöpft ließ sie sich am Fuß eines Hügels nieder und starrte eine Weile in den Himmel. Später zog sie den Dolch, betrachtete die Klinge, die im Licht der Sterne glitzer te, zog die Jacke aus und krempelte den linken Ärmel des Hemds auf. Die kalte Nachtluft biß in ihre Haut, und da merkte Toyami, daß sie zum Sterben noch zu lebendig war.

 
19. Kapitel
     
    Drei Tage und Nächte – die einzigen nach und vor langer Zeit. Das Schiff lag an der unzerstörten Mole, und als sie im Morgengrauen zu den Ruinen von Pasdan hinüberschaute, fragte Tremughati sich erneut, ob es wirklich erst ein halbes Jahr her war. Sie erinnerte sich an einen anderen Morgen – zuschanden gerittene Pferde, erschöpfte Jägerinnen und Jä ger der Banyashil, längst nicht besiegte Wehrhafte Jungfrauen, die Mischlinge aus dem Nordosten, die Frauen und Männer der Garnison; dann die aus dem Himmel fallenden Landetruppen des Commonwealth und die Sprengung der Hauptstadt der mörderischen Mütter. Sie dachte an viele andere Tage und Nächte, die Mühsal des Erziehens, den Versuch, ehemalige Gardistinnen und versklavte Manntiere an ein anderes Leben zu gewöhnen. Und nun, da die schwerste Arbeit vorüber war, die ausgesuchten Heilerinnen und Heiler der Shil zusammen mit fortentwickelten Zöglingen den Rest tun konnten, waren eine Heimkehr in die Steppe und Friede an Gortahorks Seite weit entfernt.
    Sie seufzte. Gortahork sah, daß ihre Augen, sonst von einem eigentümlich lichten Schwarz, trüb waren. Dann bemerkte er, daß seine eigenen Fingerknöchel weiß durch das dunkle Oliv der Haut stachen, weil er die Reling umklammerte.
    Sie brauchten an diesem frühen Morgen keine Worte. In drei

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