Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
alle zu. Kinder wurden in den wichtigen Dingen des Lebens unterwiesen – Schwim men, Tauchen, Umgang mit Messern und bewaffneten Gegnern, Segeln, Sternkunde. Barakuda beobachtete durch ein Fenster eine kleine Plattform, auf der man winzige Boote baute. Zunächst fertigten die Kinder aus hauchdünnen Korallplat ten und biegsamen Walgräten, Sehnen und gebeizter Walflossenhaut eine Art Windsurfer, mit dem sie sich im Wasser tummelten und die Geheimnisse von Wind und Wellen erlernten. Von den schweren Walknochen, die beim Bau der Kastelle als Balken und Säulen verwendet wurden, blieb manchmal Abfall zurück, aus dem Pfeil- und Harpunenspitzen, aber auch Messergriffe und allerlei Gebrauchsgegenstände sowie Zierat geschnitzt wurden. Mit einiger Faszination lauschte Barakuda eines Tages einer Unterweisung. Ein alter Korsar erläuterte, indem er für die Kinder mit einem Pfeil und großen Schuppen Zeichnungen anfertigte, welcher Fisch bei welchem Wetter in welcher Tiefe schwimmend welche Wasserverwerfungen an der Oberfläche erzeugte, und wie man einen kräftigen jungen Wal, ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, von einem der bösartigen alten Tiere unterscheiden konnte, die zum Sterben in die Tiefseegrotten schwammen, und deren Fleisch und Haut nicht mehr verwendbar war.
Nach und nach kamen weitere Sklaven ins Kastell. Als 50 beisammen waren, wurden sie auf ein größeres, dreimastiges Schiff gebracht. Im Zwischendeck konnten sie sich frei bewegen; es gab Decken und Latrinen, und jeden Tag holte man sie in Zehnergruppen unter Bewachung an Deck.
Die Fahrt war ereignislos. Barakuda erfuhr von vielen Schicksalen; die unterschiedlichen Vergangenheiten, kanalisiert durch die Gegenwart, mündeten in eine gewisse Zukunft: Sklaverei. Vermutlich würde man sie zu einem Hafen nahe dem südlichen Wendekreis bringen und dort entweder an Einzelabnehmer oder an Händler verkaufen.
»Sklavenhändler wäre mir lieber«, sagte eine anmutige junge Shil; ihren Händen sah man nicht an, daß sie einen Mann erwürgt hatte. »Wenn ich gleich im Hafen verkauft werde – nein, lieber nicht. Da unten gibt es nur kleine Orte, und ich habe keine Lust, die nächsten zehn Jahre am exkrementalen Spundloch von Shilgat zu verbringen. Lieber mit einem Händler in eine größere Stadt.«
Anders als seine Leidensgenossen sah Dante sich nicht als Objekt eines üblichen und akzeptierten Strafvollzugs, sondern als Opfer eines Verbrechens, dessen Hintergründe ihn immer mehr beunruhigten.
»Was heißt Verlust der persönlichen Freiheit?« sagte ein Mädchen bei einer der Debatten im Zwischendeck. »Wenn ich in meinem Heimatdorf nähe oder Unkraut jäte oder Stie fel besohle, bin ich doch genauso angebunden.«
»Ja«, sagte Barakuda ungeduldig. »Aber du könntest weg, wenn du wolltest.«
»Das stimmt, aber ich will ja nicht.«
Ein älterer Mann, über dessen Verfehlungen niemand et was wußte, mischte sich ein. »Ich glaube, ihr Sternenleute leidet an übertriebenem Bewegungsdrang und bildet euch ein, irgendwo, zum Beispiel in der Zukunft, sei etwas besser oder wesentlich anders. Deshalb auch eure Manie, was die Umgestaltung der Welt angeht, die sich doch nie wirklich ändert, falls es sie überhaupt gibt. Ich dagegen bin immer da, wo ich bin, ob ich nun hier oder dort bin.«
Dante nickte. »Das ist so«, gab er zu. »Aber macht es euch nichts aus, zehn Jahre lang {6} nicht tun zu können, was ihr wollt?«
»Wir können nie oder immer tun, was wir wollen«, sagte das Mädchen. »Was zählt ist das Wollen. Vielleicht werde ich von einem Sa’orqi gekauft, der an der Zwangsvorstellung leidet, Karren herstellen zu müssen. Dann werde ich Räder verspeichen oder Kutschböcke verleimen. Vielleicht kauft mich eine Frau, die ein Bergwerk betreibt; dann werde ich Gold oder Eisen fördern. Vielleicht kauft mich ein Mann mit absonderlich hohem Sexualbedarf; dann werde ich zusehen, wie dem abzuhelfen ist. In jedem Fall wird der Käufer seine Interessen berücksichtigen und meine Fähigkeiten, und mich wird nur der kaufen, der zwischen beidem eine gesun de Relation herstellen kann. Es wäre sinnlose Geldvergeudung, etwa eine schmächtige Frau für eine Arbeit zu erwerben, die nur Muskelprotze erledigen können. Und wer einen lie benswürdigen, flaumhaarigen Lustknaben möchte, ist weder an mir noch an dir interessiert, Cadhrassi.«
Vierzehn Tage dauerte die Seereise. Sie liefen einen Hafen weit im Süden des Kontinents an. Am Äquator und auf der Nordhalbkugel von
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