Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir
lächelte. Es war ein beinahe fröhliches Lächeln. »Ach so, das hab’ ich vergessen. Ich hab’ sechs AVs und zwei Shil gesehen. Wahrscheinlich sind zwei da vorn am Schott, mit Karabinern. Schade, daß hier unten keine Hallsäulen sind, sonst könnten sie nicht schießen. Egal. Aber da ist noch was.«
Learoyd runzelte die Stirn und sah sie fragend an.
Toyami stand auf und nahm den kleinen Beutel mit Gas granaten. »Mindestens fünfzig Mönche aus Banyadir«, sagte sie. »Und keine Spur von Dante und Tremughati.«
Zwei Tage kletterten sie durch das Steingewirr des eiskalten oberen Tunnels; dann erreichten sie eine kleine Verbindungshalle. In einem offenen Hangar fanden sich vier der leichten Wagen aus »gewandeltem« Stein. Sie faßten bequem zehn Leute, unbequem fünfzehn. Der supremo wählte schnell die Begleiter aus den fast 300 mûnaks aus, die bis hierhin mitgekommen waren. Den übrigen befahl er, zu Fuß weiter vorzudringen und in einem hypothetischen weiteren Hangar nach Wagen zu suchen.
Es folgten zwei Tage Fahrt. Immer wieder rasten die übervollen Wagen mit besorgniserregender Geschwindigkeit Gefällstrecken hinab, um dann steile Steigungen zu nehmen. Einige Male griffen von unten Schleppsysteme ähnlich je nem, das Learoyd nahe Bu’ndai gefunden und beschrieben hatte {16} , in die Vorrichtungen nahe den Achsen und zogen die Wagen »bergauf«. Als sie das Ende der Strecke erreichten, hatten sie laut Barakudas Kombigerät, das der supremo am Handgelenk trug, 367 Kilometer zurückgelegt und dabei 2413 Meter Höhe gewonnen.
Dante hätte sich vielleicht dumpfem Fatalismus ergeben, aber dagegen sprachen zwei gute Gründe. Zum einen dachte er trotz aussichtsloser Lage und Gefangenschaft nicht daran aufzugeben, solange er noch nicht tot war; dies lag teils an der Flottenausbildung, teils an seiner Veranlagung, teils schließlich an der von ihm gebilligten Lehre des »aktiven Fatalismus« {17} . Zum anderen war Tremughati neben ihm, ganz Fürstin, Heilerin und Jägerin, strahlend, unbeugsam und durch nichts zu beeindrucken.
Kurz vor Ende der Fahrt bebte der Boden; bald darauf begannen die milchigen Wände zu glimmen. Als sie am Schluß der Strecke – die Wagen rollten bergauf in eine Hal le, aus der nur ein Fahrstrang in Gegenrichtung führte – ausstiegen, hörten sie das dumpfe Grollen nahe vor ihnen.
»Sie haben begonnen«, sagte Tremughati lächelnd. »Das macht mir die Entscheidung leicht.«
»Welche Entscheidung?« Der Großauditor stand neben ihr, aufmerksam und skeptisch.
»Ob ich Wege öffne oder nicht.«
»Vielleicht brauchen wir Ihre Hilfe gar nicht.«
Tremughati hob die Achseln und schwieg. Die mûnaks suchten nach Ausgängen aus der Halle, fanden aber nur ver schlossene Schotts, die weder auf Berührung noch auf Ge walt reagierten. Schließlich warf der supremo Tremughati einen hilfesuchenden Blick zu.
»Vielleicht sollten Sie ›bitte bitte‹ sagen«, schlug Dante vor.
Tremughati ging schweigend zu einem Schott. »Es sind wispernde Steine in diesem Tor«, sagte sie über die Schulter. »In den anderen auch. Dahinter gibt es Gänge und Treppen. Und hier einen Korridor, der zu einer Hebeanlage führt.« Sie lehnte die Stirn nacheinander an drei nicht besonders markierte Stellen des Schotts. Langsam fuhr es nach beiden Seiten auf. Zuvor hatte man nicht einmal die Andeutung ei nes Spalts oder einer Fuge in der Mitte gesehen.
Ein Korridor lag dahinter; er führte zu einer kleineren Halle, an deren Ende eine Kammer ohne Tür war. Tremug hati ging voraus und trat in das milchige Gelaß.
»Woher sollen wir wissen, daß Sie uns nicht in eine Falle locken?« Der Großauditor starrte sie unter zusammengezogenen Brauen an.
Sie antwortete nicht. Langsam, zögernd, traten die mûnaks zu ihr und Barakuda. Mit Mühe drängten sich alle in die Kammer. Wieder berührte die Fürstin unkenntliche Punkte.
Mit leichtem Knirschen, das lauter war als das dumpfe Grollen des Berges, begann die gesamte Kammer zu steigen, wie ein Aufzugkorb oder das Abteil eines Paternoster. Als sie schließlich hielt, war fast eine Stunde vergangen, und das Kombigerät zeigte 4756 Meter Höhe über NN an.
»Wir sind auf halber Höhe der Großen Halle«, sagte die Fürstin ruhig. »Ich nehme an, es ist Ihnen recht. Von hier haben wir einen Überblick über die Dinge.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Die wispernden Steine.«
Wieder ging sie voraus, öffnete ein Schott, dann noch ei nes, schließlich ein drittes
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