Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
hinten links in den Rücken. Dieser schrie wie am Spieß, polterte Blut speiend – denn seine Lunge war zerschnitten – gegen die Sänfte und schrammte tot an ihr herunter.
Noch immer hielten die vier Übrigen die Sänfte, doch das Gewicht verlagerte sich nun ungebührlich auf die vorher mittleren Träger, die beide ächzend in den Knien nachgaben. Beide wandten sich um und sahen den Barbaren. Sie sahen auch, dass ihre Hintermänner tot waren.
Der Träger links in der Mitte schrie auf, ließ die Sänfte im Stich und versuchte, im Strom der auf der anderen Straßenseite entgegenkommenden, nun aber überwiegend stehen gebliebenen Menschen unterzutauchen. Der Träger rechts in der Mitte knurrte etwas und versuchte, die daraufhin nach links wegkippende Sänfte aufrecht zu halten. Vergeblich. Er konnte von seinem Tragholm aus nicht die Leistung dreier Fehlender ersetzen. Die Sänfte kippte, während die Insassin kreischte und sich über und über mit Johannisbeergelee bekleckerte.
Jemand wollte den Barbaren von hinten aufhalten, ihn an der Schulter greifen, am Hemd, aber jemand anders zerrte ihn zurück, eine Frau, vielleicht die Ehefrau dieses beherzten Jemands. Fast alle anderen verhielten sich so ruhig wie die Hühner in dem Fenster. Aus vielen Gesichtern sprach der Wunsch, unsichtbar zu sein. Etliche duckten sich, machten sich kleiner.
Die Sänfte war noch nicht ganz auf dem Boden aufgeschlagen, als der Barbar bereits mit einem reißenden Hieb ihre Rückseite aufbrach. Die Frau in der Sänfte klappte erst nach vorne, ihr Kinn klatschte auf ihren Busen, dann schwappte sie zurück und überschlug sich nach hinten durch das nun aufgespreizte Heck. Der Träger vorne links wurde ebenfalls – entweder schon durch den Sturz der Sänfte, oder erst durch den verstärkenden Hieb des Barbaren – nach hinten umgerissen und geriet unter die Sänfte, die ohne Insassin jedoch nicht besonders schwer war. Den beiden Trägern vorne rechts und rechts in der Mitte gelang ein Loslassen sowie Schritte aus dem unmittelbaren Sturzbereich hinaus. Jedoch blieben sie beide stehen, unschlüssig, ob sie ihre Herrin verlassen durften oder ob sie dann noch sicherer des Todes wären als durch den Angreifer, dessen Gesicht immerhin ganz ruhig war. Diese beiden hatten genau genommen den ganzen Schlamassel angerichtet, waren sich aber keiner Schuld bewusst, weil das Beiseiterempeln von Passanten zu den verbrieften Privilegien von Sänftenträgern hochgestellter Persönlichkeiten gehörte.
Breitbeinig stand der Barbar über der benommenen Dame, die wie ein Küken aus einem zerbrochenen Ei gekullert war.
Nun entstand jedoch Bewegung auf der anderen Seite der Gasse, im Strom der Entgegenkommenden. Zwei klatschende Geräusche ertönten, jemand brüllte vor Schmerz, dann machte der geflüchtete Träger zwei Schritte aus dem Pulk hinaus. Er blutete aus der Nase und betrachtete fassungslos, wie anklagend, den Barbaren.
Aus dem Pulk hinter ihm löste sich ein großer, kräftiger Mann mit rotblonden Zöpfen und buschigem Bart. Er trug einen mit Eisenringen durchwirkten Lederharnisch. »So geht das nicht, Bursche«, sagte er lachend. »Man kann seinen Dienst nicht so einfach quittieren, das ist nicht mannhaft. Jetzt geh und stelle dich dem Gegner deiner Herrin.«
Der Sänftenträger stand starr und verfolgte sein tropfendes Blut, bis der Rotblonde ihm kräftig in den Hintern trat. Der Blutende stürzte über die Sänfte und begrub den darunter gerade Freikommenden zusätzlich.
Der Rotblonde sprach nun die beiden noch stehenden, zaudernden Träger an. Seine Stimme war laut und heiter, seine Augenbrauen jedoch zornig zusammengezogen. »Was ist denn los mit euch? Seid ihr nicht immer noch zu viert, wenn ihr euch zusammentut? Er hat zwei eurer Kameraden getötet und eure Sänfte zerstört! Das werdet ihr ihm doch wohl nicht durchgehen lassen! Ihr habt doch Pflichten, verdammt noch mal, oder etwa nicht? Wollt ihr eure Herrin einfach schutzlos preisgeben?«
Die beiden schauten sich an, furchtsam wie Karnickel. Dann begannen sie beide gleichzeitig zu flüchten, die Gasse hinunter. Mehrere Menschen bewegten sich dort weg vom Geschehen, zogen einander in Sicherheit, wisperten sich Gefahrenworte zu.
Der Rotblonde schüttelte den Kopf. »Unfassbar. Gibt es denn keine Ehre mehr heutzutage? Muss man denn alles selbst erledigen?« Er zog breit grienend ein Schwert.
Der Barbar, dessen Wut schon längst abgekühlt war, hatte von diesem Moment an nur noch Augen
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