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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hatte etwas mit der Statue im Wald zu tun gehabt? Und dem Helm?
    Er erreichte die Axt, hielt sich beinahe an ihr fest. Sie fühlte sich gut an. Vertraut. Er zog sie aus dem Block und hob sie.
    Seine Muskeln spielten. Formten sich aus in all ihren Prägungen bis hoch zum Griff der Waffe.
    Die Frauen saßen unruhig. Lackierte Fingernägel spielten auf Stoffen.
    »Hack den Klotz, hack den Klotz, hack den Klotz!«
    Lachende, schreiende Gesichter, die Münder selbst wie Hackkerben in den Schädeln.
    Er schlug zu. Der Stamm und das Gestell erzitterten. Schauderten . Das Gestell war kaum ausreichend, um der Wucht seines Schlages standzuhalten.
    »Hack den Klotz, hack den Klotz, hack den Klotz!«
    Er löste die Schneide, hob die Axt erneut – und runter.
    Und hoch. Und runter. Und hoch. Und runter. Und hoch.
    »Hack den Klotz, hack den Klotz, hack den Klotz!«
    Holz splitterte, sirrte davon. Die Schneide der Axt erwärmte sich, löste sich quietschend. Es war heiß hier drinnen. So viele Menschen. Er begann zu schwitzen. Die Zuschauer begannen zu schwitzen. Indenkron, der Gelehrte, stand halb abgewandt und lächelte. Die Bühnenbretter erzitterten unter den wuchtigen Schlägen des Barbaren.
    »Hack den Klotz, hack den Klotz, hack den Klotz!«
    Seine Schläge trafen präzise immer wieder die sich bereits verbreiternde Kerbe. Helles, frisches Baumfleisch unter der Rinde. Das Baumfleisch begann seinerseits zu schwitzen. Roch nach Einschlag. Die fordernden Rufe der Zuschauer formierten sich um die Schläge herum im Rhythmus. Oder folgten seine Schläge dem Geschrei? Oder verband sich beides wie von selbst, und es gab gar keine andere Möglichkeit mehr, den Stamm zu zerhauen?
    Er drang tiefer und tiefer vor.
    In der Klinge der Axt spiegelten sich die Gesichter der Zuschauer, im frohen Geschrei waren sie von furchtverzerrt Brüllenden nicht mehr zu unterscheiden. Die Welt stieg auf und stürzte hinab. Die Welt stieg auf und stürzte hinab.
    »Hack den Klotz, hack den Klotz, hack den Klotz!«
    Und dann, unter einem letzten Hieb, brach der Stamm, polterte in zwei Teilen inmitten grober Späne zu Boden, das Gestell dabei ruckartig verschiebend. Die Menge jubelte und applaudierte.
    Der Barbar lachte verlegen und entblößte eine vorher nicht zu erkennen gewesene Dümmlichkeit seines Gesichtes, die ihrerseits zum Lachen reizte. Er stellte sich posierend auf wie ein Sieger und sagte etwas, seinen Namen vielleicht, aber in dem Tumult und dem Gelächter ging das unter.
    Welw Indenkron nahm ihn bei den Schultern und führte ihn hinaus, hinter die Bühne, während der Barbar noch winkte, die Axt in den Händen. Drei, nein, vier schöne junge Frauen winkten zurück. Er wäre gerne geblieben, doch der Gelehrte zerrte an ihm und schien keine Gegenwehr zu dulden.
    »Behalt sie meinetwegen. Die Axt meine ich. Du hast alles gut gemacht, aber jetzt musst du weg von hier. Ein paar im Publikum haben dich erkannt, haben sich daran erinnert, dass du in dieser Stadt einst einer Hinrichtung entkamst. Einer ist losgegangen, um Büttel zu holen. Genau, wie ich es in meiner Rede vorhersah. Geh durch diese Tür und halte dich nach rechts, dann kommst du raus aus diesem Viertel. Ach ja, hier ist deine Kleidung, zum Bündel geschnürt. Hier deine Münzen. Chaerea wohnt in der Nähe des silbernen Minaretts, aber vielleicht solltest du dich besser erst mal aus der Stadt entfernen, meinst du nicht auch? Wir wollen ja alle keinen Ärger haben.«
    Der Barbar nahm alles an sich. Das Bündel. Die Münzen. Die Axt weiterhin in der Hand.
    Der Gelehrte musterte ihn noch einmal von oben bis unten und sagte dann: »Ich wusste gar nicht, dass du sprechen kannst. Aber umso beeindruckender, dass du es niemals tust.« Dann klopfte er ihm aufmunternd auf die Schulter und schob ihn durch eine schmale Holztür hinaus.
    Im Hörsaal tobte noch immer das begeisterte Studentenvolk.
    Indenkron kehrte zurück in den Saal, um die frisch zerhackten Holzspäne seinen begeisterten Schülern als Andenken zu verkaufen.

auFBeGeHReN
     
    Die Kurtisane Chaerea war eine herbe Enttäuschung.
    Sie war spezialisiert auf eine Form der Begattung, die der Barbar nicht mochte, weil ihm der dabei entstehende Geruch zuwider war. Die Kurtisane erklärte ihm sogar noch mit großer Geduld – und durchaus interessiert daran, sich diesen außergewöhnlichen Kunden zu erhalten –, dass die abgestumpften Sinne der Stadtbewohner besonders starke Reize benötigten, um überhaupt noch erregt werden zu

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