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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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können. Aber auch das begriff er nicht. Es klang, als ob die Menschen sich künstlich in Erregung versetzen müssten. Als ob in der Stadt nichts mehr mit rechten Dingen zuginge. Das war für ihn unbegreiflich, und er suchte in der Enge der Minarettviertelgassen das Weite.
    Hierbei eckte er an, wie öfters in Städten, und es ereignete sich eine unglückliche Aufschaukelung.
    Die Gasse hatte eine Krümmung. Man konnte das Ende und den Anfang nicht sehen.
    Der Barbar – in der neuen Kleidung, die der Gelehrte ihm verschafft hatte: weites Hemd, Hose, sogar Schuhe, die Axt unter dem Hemd, Setepenres Ohrgehänge nun wieder sichtbar, denn den Helm hatte er zurückgelassen, er wusste schon nicht mehr, wo – berührte mit der Schulter mehrere Lampions mit fremdartigen Schriftzeichen, die auf ein Geschäft hinwiesen, in dem die toten, gerupften Leiber von Hühnern im Fenster ausgespreizt waren. Irgendwo voraus war Lärm, ein Marktschreier pries dort durch eine Blechröhre seine Waren an. Menschen kamen ihm entgegen, darunter zwei verschleierte Frauen, die große Tonkrüge auf den Köpfen balancierten. Menschen gingen in seine Richtung und bildeten mit ihm zusammen einen Strom. Einer dieser Menschen – ein edel gekleideter Jüngling mit zu Mustern rasiertem sehr kurzem Haar – war schneller als der Barbar und überholte ihn, indem er, ohne ihn zu berühren, links an ihm vorüberzog. Die Gasse war vielleicht eine gute Abkürzung zwischen wichtigen Straßen, denn es bewegten sich viele Menschen durch sie hindurch.
    Der Barbar hielt den Blick leicht gesenkt. Den Akt mit Chaerea hatte er nicht vollzogen. Nachdem er begriffen hatte, was sie ihm anbot, hatte er sich die Hose wieder zugeknöpft. Er war in einer eigenartigen Stimmung. Unbefriedigtheit mischte sich mit dem Stolz auf den Applaus in dem Saal der klugen Leute. Die Enttäuschung über die berühmte Kurtisane ging einher mit dem Hochmut, mehr Münzen zu besitzen als die meisten in den Gassen und sich diese Münzen verdient zu haben durch etwas, das keiner von diesen je besitzen würde: eine Ausstrahlung, die Fremde sich für ihn begeistern ließ. Er dachte an die drei oder vier schönen Studentinnen, die ihm besonders stark gewunken hatten. Er hätte sich an sie halten sollen. Diesbezüglich hatte er einen Fehler gemacht.
    Er blieb stehen, um darüber nachzudenken, ob er kehrtmachen und zum Viertel der Akademie zurücklaufen solle. Einer der hinter ihm gehenden Menschen stolperte gegen ihn und entschuldigte sich. Der Barbar beachtete ihn nicht weiter. Mehrere andere gingen an ihm vorüber, ohne ihn zu berühren.
    Nun jedoch begann die Aufschaukelung.
    Eine Sänfte, getragen von sechs beinahe nackten Männern, bahnte sich von hinter ihm einen Weg durch die Gasse. Eigentlich langsamer als der Barbar, kam sie nun näher, weil er stehen geblieben war. Aus einem bestimmten Winkel der Betrachtung wuchs sie hinter ihm an wie ein herangleitendes Prunkzelt.
    Er stand zu weit auf der Gasse und versuchte, sich an den Weg zurück zur Akademie zu erinnern.
    Genau genommen stand er im Weg.
    Aber die Sänfte hätte anhalten können.
    Stattdessen versuchten die beiden vorderen Träger, sich an ihm vorbeizudrängeln. Sie hatten den Befehl, schnell zu machen. Die Besitzerin der Sänfte war eine herrische Person und hatte es eilig.
    Der Sänftenträger vorne rechts stieß den Barbaren an und raunzte: »Platz da!«
    Der Barbar strauchelte einen Halbschritt nach schräg vorne. Als er sich anschließend zu der Sänfte hin umwandte, waren die beiden vorderen Träger schon an ihm vorbei, und der Träger rechts in der Mitte gab ihm einen zweiten Stoß. »Siehst du denn nicht, dass du im Weg stehst, du Tölpel?«, schnauzte dieser.
    Als der Träger hinten rechts den Barbaren passieren wollte, hatte dieser bereits seine Axt gezogen und trieb sie ihm durch den abwehrenden rechten Arm hindurch in Zähne, Gaumen und Gehirn.
    Der Träger hinten rechts brach weg. Von immerhin noch fünf weiteren Männern gehalten, kenterte die Sänfte nicht, aber es ging ein deutliches Erbeben durch sie, und die herrische Dame in ihrem Inneren stieß einen Laut des Unmuts aus.
    Mehrere Passanten schrien.
    Zwischen ihnen lag plötzlich ein Leichnam mit einem grotesk aufklaffenden Gesicht.
    Die Sänfte bewegte sich immer noch weiter, doch der Barbar machte zwei Schritte hinterher, wirbelte seine Axt so, dass ein feiner roter Sprühregen weitere stehen gebliebene Passanten benetzte, und hieb die Schneide nun dem Träger

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