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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ihn band, war dazu angetan, seine Knochen zu brechen und seine Sehnen zu zerreißen. Das Kreuz konnte verstellt werden. Man probierte die eigenartigsten Stellungen aus.
    Doch er schwieg.
    Er drehte sich und drehte sich zur Winkligkeit verbogen und schwieg.
    Verschiedene Männer befragten ihn, stellten ihm verschiedene Fragen. Sie sahen alle gleich aus. Sie waren alle ein und derselbe schwächliche Mann.
    Der Folterknecht schwitzte, war übermüdet, unrasiert, am Ende seiner Kräfte.
    Es gab andere Gefangene im Morast . Manchmal konnte er sie heulen hören.
    Einer war darunter, der spottete immerfort.
    »Schafft ihr es nicht, ihn zu brechen, ja? Schafft ihr es nicht? Ihr werdet auch uns nicht kleinkriegen. Wir werden wie dieser sein am Kreuz. Wir werden sein wie sein Kreuz! Hört ihr, meine Brüder und Schwestern? Wir werden uns nicht brechen lassen! Die Zeiten werden über jene hinwegrollen, die jetzt noch wähnen, das Kreuz zu drehen, aber in Wahrheit sind sie es, die umherwirbeln, und das Kreuz steht schreckensstarr!«
    Danach immer das Klatschen der Peitschenhiebe, aber die Schreie des Spötters klangen manchmal wie Gelächter.
    Er schwieg.
    Dürstete.
    Hungerte.
    Schwelte in seinem Zorn.
    Warum machten sie kein Ende? Es war ja nicht das erste Mal.
    Er war schon an einem Ort wie diesem gewesen. Und von dort aus hatten sie ihn zu einem Richtplatz geführt, um ihn freizusetzen .
    Der Folterknecht schwitzte. Er sah aus, als würde er bald umkippen.
    Der Folterknecht wurde angeschnauzt. Regelrecht zur Sau gemacht. Er krümmte sich schwitzend, versuchte zu gefallen, was schwierig war für einen hässlichen Burschen wie ihn.
    Der Folterknecht roch aus dem Mund nach altem Urin.
    Einmal vergaßen sie, ihn ganz herumzudrehen, und er blieb über Nacht kopfunter. Sein linker Fuß neben seinem Gesicht. Das Gebäude ergab wenig Sinn so. Um durch eine Tür zu schreiten, musste man eine hohe Schwelle überqueren, und die Fackeln rauchten abwärts, als gäbe es überall Zugluft.
    Irgendwann begann seine Nase zu bluten. Es lief ihm zwischen den Augen über die Stirn ins Haar. Es half, den Druck aus seinem Kopf zu nehmen. Es half.
    Er erinnerte sich an einen Helm, der ihn zusammengehalten hatte.
    Aber auch den Ohrschmuck hatte man ihm abgerissen.
    Der Spötter sang ein zotiges Lied, bis man ihn peitschte. Dann lachte er wieder weinend.
    Sie peitschten ihn. Drei Kerle peitschten ihn. Er merkte sich ihre Gesichter und ihre stinkenden Arschritzen, um sie eines Tages im Schlaf zu zerquetschen.
    Seine Zunge war rau und trocken wie ein harter Schwamm.
    Er schwieg nach innen und nach außen. Dachte nichts mehr. Hörte auch nichts mehr.
    Der Spötter lachte und schmiedete Reden.
    Der Barbar hörte nichts mehr.
    Vielleicht blutete er auch aus den Ohren.
    Er drehte sich nun so schnell, dass die ganze Welt nur noch ein Wirbel war.
    Das Drehen machte beinahe Vergnügen.
    Er wollte schneller, noch schneller drehen.
    Bis die Welt nur noch Morast war.
    »Er spricht einfach nicht. Vielleicht kann er gar nicht sprechen.«
    Jemand kam und tastete ihn ab. Untersuchte seinen Mund. Es gelang ihm beinahe, diesem Jemand zwei Finger abzubeißen.
    »Mit seiner Zunge und seinem Kehlkopf ist alles in Ordnung. Aber ich kann natürlich nicht ausschließen, dass er taubstumm geboren wurde. Hört er denn? Reagiert er auf Geräusche?«
    »Ich glaube schon.«
    Etwas klirrte ganz laut neben seinem Kopf.
    Er zuckte zusammen, unwillkürlich, ein wenig.
    »Habt Ihr gesehen? Er hört!«
    »Dann weiß ich auch nicht. Schreit er denn? Vor Schmerzen?«
    »Nichts. Keinen Laut.«
    »Ihr solltet Euren Folterknecht entlassen.«
    »Ich weiß. Ich weiß. Wir lassen ihn schon peitschen.«
    »Den Folterknecht? Peitschen? Ich könnte Euch meinen leihen.«
    »Wirklich? Das wäre uns eine Ehre!«
    »Nicht doch, nicht doch. Man tut, was man kann. Jeder tut, was er kann.«
    Ein neuer Mensch machte sich an ihm zu schaffen. Dieser roch nach Bier, schien Bier auszuschwitzen, besonders am haarigen Bauch.
    Er zwirbelte etwas zusammen und zog daran.
    Und der Barbar begann zu brüllen.
    Er brüllte so laut, dass seine eigenen Ohren platzen wollten.
    Und rüttelte an dem Kreuz.
    Schlenkerte hin und her. Drehte sich von selbst. Das Kreuz brach.
    Die anderen Gefangenen heulten und kläfften. Der Spötter lachte und predigte.
    Der Morast schlug um.
    Bewegung überall.
    Fackeln, vorbeigerissen. Schlagfeuer. Rauch und Durst.
    Der nach Bier Stinkende. Aufgespießt zappelnd unter der gesplitterten

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